3. November 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Sparflamme

Unausgegorene Gefühlslagen

INSPIRATION: Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Viele Unternehmen setzen KI zurzeit noch nicht flächendeckend ein. Und doch erwarten sie deren starken Vormarsch. Nur kaum jemand will die Mitarbeitenden darauf vorbereiten.

Das Autorenteam (Auf Sparflamme) führt die jährliche Befragung „New-Work-Barometer“ durch. Über die allgemeinen, diesjährigen Ergebnisse haben wir schon berichtet (Phantomschmerzen?). Da ging es um Führungsstile und den Ruf nach der starken Hand.


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In dieser weiteren Veröffentlichung geht es also um KI und deren Einsatz in Unternehmen. Die Ergebnisse: Lediglich 16 Prozent der Befragten berichtet vom flächendeckenden Einsatz von KI. In der IT-Branche sind es immerhin 30 Prozent; Verkehr (24%) und Finanzwesen (22%) folgen. Auf der anderen Seite nutzen 19 Prozent der befragten Organisationen bisher KI in keinem Bereich. In der öffentlichen Verwaltung sagen das sogar 28 Prozent der Befragten. Das kann man eine Kluft nennen.

Und was machen die anderen?

Die anderen machen so ein bisschen. Als Hotspots nannten die Befragten IT, Marketing, Forschung und Entwicklung, Personal sowie Öffentlichkeitsarbeit. Apropos Personal: Die Autoren zitieren eine Studie, die die Funktionen Personaladministration und Personalbeschaffung als Vorreiter sieht. Von den dort offensichtlich beobachtbaren „Verrenkungen“ haben wir auch schon Kenntnis genommen (Schlaraffenland ist abgebrannt). Nicht so einfach im juristischen Graubereich zu navigieren …

In den eigenen Datenpool geschaut, stellen die Autorinnen fest, dass KI-gestützte Prozessoptimierung (20%) und KI-gestützte Projektarbeit (19%) ansonsten als „New-Work“-Praktiken bezeichnet werden. Das bedeutet Mittelfeld in der Palette, die durch Autonomie des Arbeitsorts (87%) angeführt wird. Apropos Führung: Da hatten wir doch letztens die wahnwitzige Idee vernommen, man möge sie doch gleich an KI outsourcen (Nix Pathie). Hier kommt der Praxisschock: Im New-Work-Barometer berichten lediglich sechs Prozent der Befragten von KI-gestützter Führung. Man könnte mutmaßen, dass sich die KI-Praxis in den Unternehmen doch überwiegend auf automatisierte Textgenerierung konzentriert.

Motivation und Emotionen

Dabei richten sich die Hoffnungen beim KI-Einsatz auf Produktivitätssteigerung (64%), Entlastung der Mitarbeitenden (52%), Datenanalyse und Prognosen (45%), Innovationsförderung (44%) und Kostenreduktion (43%). Aber seltener verspricht man sich Nutzen für die Weiterbildung (26%). Und bitter für den Professor und New-Work-Evangelisten Carsten Schermuly: „Der am wenigsten genannte Grund für die Einführung von KI: psychologisches Empowerment (11 Prozent).“ Tja, New Work ist out, wie der Meister selbst letztens schon andeutete (Phantomschmerzen?).

Zugleich erwartet man in den Organisationen eine deutliche Zunahme beim KI-Einsatz in den nächsten zwei Jahren. Doch das wird von den Befragten ambivalent betrachtet. Die einen sind begeistert, die anderen in Sorge. Die Forscher haben deshalb von den Befragten die KI emotional einschätzen lassen. Dafür nutzten sie das Modell der acht Basisemotionen – das Konzept haben wir bei MWonline zuletzt fundamental kritisiert (Emotionen: Gefühlsduselei vermeiden). Die Ergebnisse der Forschergruppe: „Am stärksten ausgeprägt sind demnach Neugierde (Mittelwert 5,3), Erstaunen (4,6) und Freude (4,5). Doch auch Angst (3,6) gegenüber KI ist in den Organisationen verbreitet.“

Sodann korrelierten die Forscherinnen die KI-Emotionsratings mit jenen der Organisationsleistung. Und fanden positive und signifikante Zusammenhänge für Freude (r = 0,35), Vertrauen (r = 0,25), Erstaunen (r = 0,15) und Neugierde (r = 0,31). Aber auch negative und signifikante Zusammenhänge für Angst, Wut und Abscheu (jeweils r = -0,14). Nun, mich vermag diese Korrelationsgymnastik nicht wirklich zu überzeugen. Warum die Forscher sich nicht auf das inzwischen 30 Jahre alte Technikakzeptanzmodell (TAM), das Task-Technology-Fit-Modell (TTF) oder auf die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) bezogen haben, mag sich mir einfach nicht erschließen.

Vorbereitung für KI

Sie findet flächendeckend aber kaum statt. In der IT- und der Beratungsbranche sieht es eher besser aus. Aber in der öffentlichen Verwaltung, dem Baugewerbe, dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Industrie sieht es eher mau aus. Und schaut man sich den Stellenwert von KI im Portfolio der Führungskräfteentwicklung an, kommt man aus dem Stauen nicht heraus: Weniger als fünf Prozent der Freitext-Antworten von Führungskräften beziehen sich auf KI. Man kann diesen Befund auch witzig wenden: „Von dem Zukunftsszenario, dass Mitarbeitende massenweise durch künstliche Intelligenz ersetzt werden, sind wir im deutschsprachigen Raum noch weit entfernt.“ – Weil wir hierzulande generell von gar manchem noch weit entfernt sind?

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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Ein Gedanke zu „Unausgegorene Gefühlslagen

  1. Wer KI einsetzen will, muss seine Daten und deren Struktur kennen. Was soll gefüttert werden und warum?
    Was füttere ich lieber nicht. KI kann ich erst einsetzten, wenn ich definiere, was rauskommen soll. Diese Ziel(Ergebnis-)vorstellung gepaart mit der damit logisch ableitbaren Prozessabfolge kann erst den KI-Einsatz rechtfertigen.
    Die mageren %-Zahlen sind ein Indiz für geistiges Durcheinander.

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