INSPIRATION: Der Begriff begegnet einem nun häufiger: „Corporate Rebells“. Menschen, die gegen den Strom schwimmen, sich nicht abfinden mit Umständen, die unveränderbar erscheinen, sondern etwas unternehmen. Weil sie eben Unternehmer sind. Das funktioniert auch innerhalb von Organisationen.
Wobei dieses gegen den Strom schwimmen schon mehrere paradoxe Züge hat. Wir bewundern diese Menschen. Einerseits. Andererseits können sie mächtig nerven, weil sie ständig Dinge in Frage und auf den Kopf stellen wollen. Sie können ziemlich hartnäckig und stur sein. Und einen Satz wie „Das ist eben so!“ würden sie niemals akzeptieren.
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Zwei Holländer haben den Begriff geprägt und sich auf die Suchen nach solchen Menschen gemacht (So werden Sie Organisationsrebell). Und haben dabei einige interessante Dinge festgestellt, die sie im Interview in der wirtschaft + weiterbildung verraten. Zum einen werden diese Rebellen „von der Vorstellung angetrieben, dass Menschen gut sind und dass man sie auch am Arbeitsplatz entsprechend behandelt“. Das macht sie nicht nur sympathisch, sondern zeugt auch von Weisheit, denn in der Tat prägt ja unser Menschenbild das Verhalten derjenigen, die wir entsprechend behandeln.
Das entsprechende Menschenbild
Sodann haben sie eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie die Welt zu sein hat. Wer ihnen nicht folgt, den behandeln sie entsprechend abweisend und, wenn sie in der Position sind, trennen sie sich von Leuten „im Handumdrehen“. Was sie wiederum nicht so sympathisch macht, aber konsequent ist. Schließlich macht man keine Revolution mit Menschen, die nicht an die Idee glauben.
Wenn sie in einer Organisation sind, dann erkennen sie rasch, dass sich nicht dorthin passen und gründen spätestens nach zwei Jahren ihr eigenes Unternehmen. Das führen sie dann so, wie es ihrer Vision entspricht. Was sie für die „Gefolgschaft“ zu einer „Art Gott macht“. Klingt auch wieder nicht so sympathisch, bedeutet aber, vorausgesetzt die Vision beinhaltet den selbstständig denkenden und handelnden Erwachsenen, dass die Mitarbeiter im Sinne der Vision tatsächlich auch selbstständig handeln und entscheiden können.
Wohl gemerkt: Wir sprechen hier nicht von einem Steve Jobs, sondern von Menschen, die eine andere Vorstellung von der Art des Zusammenarbeitens haben, im Grunde ein Bild von einer besseren (Arbeits-)Welt. Der Personenkult hilft also, diese Vision in die Tat umzusetzen.
Drei bemerkenswerte Rebellen
Drei Beispiele in dem Interview machen die Idee anschaulich: Da ist zum einen ein Keksfabrikant namens Kees Pater, der seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen antrieb. Dann bekam er ein Suchtproblem und ging in eine Klinik. Als er zurückkam, fand er nicht das erwartete Chaos vor, sondern ein funktionierendes Unternehmen mit dem besten Ergebnis seit langem – und das ohne ihn. Was seine Haltung zur klassischen Hierarchie dramatisch veränderte.
Oder der Leiter einer Sozialabteilung in Belgien, der sich bei der Bewerbung als klassische Führungskraft vorstellte. Als er den Job hatte, versammelte er 1.500 Mitarbeiter, erklärte ihnen seine Vision und was sich alles ändern würde. Allerdings nahm er ihnen das Versprechen ab, niemandem in der Organisation davon zu erzählen. Fast drei Jahre blieb sein Tun unentdeckt, er strukturierte alles um und schaffte viele Regeln ab. Dann erst trat er vor seine Vorgesetzten und erklärte, was er angestellt hatte mit dem besten aller Argumente: Dass nämlich die Abteilung in den letzten Jahren stetig bessere Ergebnisse erzielt hatte.
Soll heißen: Man muss also nicht unbedingt sein Unternehmen verlassen, um die Vision einer besseren Welt umzusetzen. Erst handeln und dann um Erlaubnis fragen scheint die typische Vorgehensweise dieser Rebellen zu sein. Wenn sie denn die Geduld haben und vielleicht nicht die tolle Geschäftsidee, um sich selbstständig zu machen.
Und dann ist da noch die Firma Haier in China, die aus lauter unabhängigen Start-ups besteht, aber 70.000 Menschen beschäftigt. Dort hat man quasi alle Mittelmanager entlassen. Das ist mal konsequent, mit dem Ergebnis, dass Projekte eine Umsetzungsquote von 40% haben. Das ist insofern interessant, als dass ja auch andere große Unternehmen Start-up-Initiativen schaffen. Allerdings werden dort nur 10% der neuen Ideen umgesetzt (genannt werden hier Daimler und Hugo Boss).
Insofern ist die Frage, wie man denn Organisationsrebellen fördert kann, ziemlicher Unsinn. Wenn ich möchte, dass überflüssige und einschränkende Regeln gebrochen werden, dann kann ich sie doch auch gleich abschaffen. Soll heißen: Einen Vorstand, der da sagt: „Wir unterstützen Organisationsrebellen“, sollte man mit Vorsicht betrachten. Es sei denn, er ersetzt sich selbst durch Menschen, die genau die oben beschriebenen Merkmale aufweisen: An den guten Menschen glauben, die (Arbeits-)Welt verbessern wollen und ständig den Status quo in Fragen stellen. Nicht allzu realistisch, oder?