INSPIRATION: Unter dem Begriff „New Work“ tummeln sich viele Vorstellungen, wobei es einige Übereinstimmungen, aber keine allgemeine Klarheit darüber gibt, was genau hierunter zu verstehen ist. Anerkannt scheint zu sein, dass New Work funktioniert. Aber wie eigentlich? Ein wenig Ordnung will die Wissenschaft stiften, nachzulesen in der PERSONALquarterly. Gleich zwei Artikel beschäftigen sich mit dem Thema.
Da geht es zum einen um die Formen von New Work. Die Forscher haben sich eine Reihe von Unternehmen vorgenommen, die sich dem Thema verschrieben haben. Sie haben vor Ort recherchiert, mit Unternehmensleitungen und Mitarbeitern gesprochen und die Ergebnisse ausgewertet. Dabei haben sie vier Formen gefunden (New Work – Praktische Relevanz des Konzepts in Deutschland).
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4 Formen von New Work
- Arbeiten, wo und wann man will: Hier wird vor allem die Arbeitszeit flexibilisiert und der Ort, an dem gearbeitet wird, ist nicht mehr festgelegt. Diese Form ist am weitesten fortgeschritten und offenbar schon deutlich selbstverständlicher als die anderen. Dabei werden die klassischen Machtstrukturen in der Regel noch nicht angetastet, so scheint diese Form eher durchsetzbar. Unternehmen, die hier reinfallen: Daimler, DKB, Trumpf, Kärcher u.a.
- Weg von Organigrammen und Silos: Auch ein Trend, der schon länger andauert. Statt in festen Abteilungen wird viel stärker in Projekten gearbeitet, wobei zunehmend mit agilen Formen experimentiert wird statt mit starren Projektplänen. Genannt werden hier Living Lab Ludwigsburg, P3 Automotive und Roto Frank.
- Arbeit, die dem Mitarbeiter Sinn bietet: Hier geht es eher in die Richtung des „Erfinders“ von New Work, Frithjof Bergmann, wonach die Beschäftigten das tun sollen, was sie wirklich wollen. Es wird in dem Beitrag nicht deutlich, welche praktischen Konsequenzen das in den genannten Unternehmen hat. Diese seien BASF, B. Braun, Deutsche Telekom und Hewlett Packard CDS – alles keine kleinen Firmen.
- Weg von Hierarchien: Hier geht es um mehr Demokratie, Selbstorganisation, Beteiligung bei Entscheidungen und Enthierarchisierung. Da wird es in der Aufzählung der Unternehmen dünn: Dark Horse und Praemandatum.
Das Fazit der Wissenschaftler: Auch diese Organisationsformen haben Schattenseiten (immer wieder aufgeführt: Lange Entscheidungsprozesse), und in großen Organisationen ist all das schwieriger umzusetzen als bei Neugründungen. Aber die Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass die „Arbeit an der Organisation“ und damit Veränderungsmanagement zum Dauerthema wird. Auch klar ist, dass all das ohne Beteiligung der Mitarbeiter nicht in die Gänge kommt, das ist „systemimmanent“. Wobei eine interessante Frage ist, was aus der kollektiven Mitbestimmung, sprich „Betriebsrat“, wird? Die bisherigen Mechanismen der Mitbestimmung wird man überdenken müssen, und vermutlich wird es auch eine Diskussion der Rollen der Sozialpartner geben.
Psychologisches Empowerment und New Work
All das hilft, vielleicht ein wenig Ordnung in die Dikussion zu bringen. Interessanter aber finde ich den Aspekt, welche Auswirkungen New Work denn nun in den Organsiationen hat. Um das zu sortieren, stellt ein weiterer Autor ein Prozessmodell vor, das auf der Theorie des psychologischen Empowerments nach Gretchen Spreitzer basiert (Wann funktioniert New Work?). Danach fühlen sich Menschen ermächtigt, wenn sie Selbstbestimmung, Einfluss, Kompetenz und Bedeutsamkeit erleben. Wenn sie also das Gefühl haben, ihre Arbeit frei gestalten zu können, dass sie etwas bewirken, Einfluss nehmen können, dass sie ihre Fähigkeiten einsetzen und ausschöpfen können und dass sie das Gefühl haben, dass das, was sie tun, für irgendetwas gut, wichtig ist.
Wenn das alles gegeben ist, dann steigt die Zufriedenheit, die Identifikation und die Leistung. Es gibt weniger Fluktuation, mehr Engagement, weniger Burn-out und die Menschen gehen später in Rente – das ist durch viele Studien belegt. Bleibt die Frage, ob New Work einen (positiven) Einfluss auf das psychologische Empowerment hat. Auch dafür gibt es eine Menge Belege.
Was hat den höchsten Einfluss auf das Erleben von Empowerment?
Hohe Autonomie und Rückmeldungen durch die Tätigkeit (wie das bei einem Künstler oder Handwerker der Fall ist, der selbstständig etwas erschafft und das Ergebnis seines Handelns unmittelbar erfährt), ein positives Klima in der Organisation, „Dezentralisation, Partizipation und transparente Informationsteilung“. Führungskräfte können dazu beitragen, indem sie selbst psychologisches Empowerment erleben sowie durch ihren Führungsstil.
ABER: So einfach ist der Zusammenhang nicht, es gibt nämlich Moderator-Variablen. Das sind Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob und wie sehr New Work auf das psychologische Empowerment wirkt. Da sind zum einen personenbezogene Veriablen, so konnte in einer Studie gezeigt werden, dass es durchaus Menschen gibt, die komplexe und aufregenden Umgebungen lieben (Sensation Seeker). Bei anderen mag diese Form der Arbeit deutlich weniger zu ihrem persönlichen Profil passen.
Und dann gibt es Kontextvariablen. Gemeint ist zum Beispiel, welche Aufgaben zu bearbeiten sind, wie die Organisation aufgebaut ist, wie die räumliche Umgebung gestaltet ist. Beide Variablen sind also bei der Einführung von New Work zu berücksichtigen. Soll heißen: Welche Variante man auch immer einführt: Sie sollte darauf hin geprüft werden, ob sie Mitarbeiter psychologisch ermächtigt (also die genannten Dinge erleben lässt), ob die Menschen und die Arbeit selbst hierzu passen.
Zugegeben, keine wirklich neuen Erkenntnisse für alle, die sich mit der praktischen Umsetzung beschäftigen. Aber vielleicht als Argumentationshilfe ganz nützlich.