23. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ungeschriebene Regeln

INSPIRATION: Ungeschriebene Regeln gibt es überall, wo sich Menschen zusammen tun. Sie sind mächtig und bilden die Kultur einer Organisation ab – und zwar viel mächtiger als jede geschriebene Regel dies könnte. Es gibt sie nicht ohne Grund, daher dürfte schon die Aufforderung, sie zu benennen, einen Tabubruch darstellen. Genau den hat man bei Bayer vor Jahren gestartet – mit höchst interessanten Erkenntnissen.

Das Ziel der Initiative war eine Kulturveränderung in Sachen Vertrauen – weil Vertrauen die Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit und damit auch für gute Ergebnisse ist. Aus dem Beitrag (Arbeit an ungeschriebenen Regeln) geht hervor, dass es für eine solche Initiative einen starken Sponsor braucht sowie einen langen Atem – beides gab es wohl, was für einen Konzern schon mal eine bemerkenswerte Sache ist. Ebenfalls bemerkenswert: Diese Initiative, die von einem Team namens „Trustful Teamwork“ umgesetzt wurde, war nicht als befristetes Projekt geplant, sondern ausdrücklich als Experiment. Ganz im Sinne des systemischen Denkens: Man irritiere die Organisation und schaue, was dabei herauskommt.


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Offenbar hat die Initiative sogar den Merger mit Monsanto überlebt, auch bemerkenswert. Was wohl besonders interessant war, denn dann konnte man sich ja gleich mit zwei unterschiedlichen Kulturen und vermutlich auch mit unterschiedlichen ungeschriebenen Regeln beschäftigen.

Das Vorgehen

Man führte auf internationaler Ebene Workshops mit 120 Teilnehmern durch und ließ diese ungeschriebene Regeln formulieren, wobei der Fokus auf Vertrauen und Kollaboration lag (dem eigentlichen Kulturthema). Man fand 250 solcher Regeln, die dann plötzlich geschrieben an der Wand standen – ein weiterer Tabubruch. Überraschende Erkenntnis (oder vielleicht doch gar nicht so überraschend): Die Regeln waren sehr ähnlich und zum Teil wortgleich. Sie wurden geclustert und zu allgemeineren Regeln zusammen gefasst. Bei den Beispielen muss man schmunzeln: Keine Entscheidung ist endgültig! Passe dich so weit es geht an! Halte stets am Prozess fest! Hinterfrage nie den Status quo …

Und nun? Das Team konfrontierte anschließend eine Reihe von Stakeholdern mit den Ergebnissen und bat um spontane Resonanz. Diese fielen interessant aus:

  • Man stimmte zu und bestätigte, dass es im eigenen Bereich ähnliche Regeln gibt.
  • Man bestätigte die Regeln, war aber überzeugt, dass sie woanders gelten, nicht jedoch im eigenen Umfeld.
  • Es gab Ablehnung bis starke emotionale Reaktionen nach dem Motto: So schlimm ist es bei Bayer doch gar nicht!

Der nächste Schritt

Der nächste Schritt sollte die Veränderung der Kultur in Richtung mehr Vertrauen und Zusammenarbeit sein, aber wie macht man das? Nicht durch To-Do-Listen und von oben beschlossenen Maßnahmen, stellte das Team fest. So ein Veränderungsprozess funktioniert nur über Bande. In diesem Fall führte man wieder eine Reihe von Workshops durch, die unter dem Motto „Let’s talk about unwritten rules“ liefen – womit man schon mal gegen die ungeschriebene Regel verstieß, den Status quo nicht zu hinterfragen.

In diesen Workshops wurden die gefundenen Regeln vorgestellt, ihr ursprünglicher und vielleicht noch vorhandener Nutzen besprochen, Verhaltensweisen, in denen diese Regeln zum Ausdruck kommen, gesammelt und alternative Verhaltensweisen erarbeitet. Letztlich, so die Erkenntnis, führt das Reden über die ungeschriebenen Regeln ja schon zu einem Mehr an Vertrauen. Mit den Workshops erreichte man 250 Mitarbeiter, mit dem Beginn von Corona wurden sie in virtuelle Formate überführt.

Tabus veröffentlichen

Es blieb aber nicht bei den Workshops. Das Team veröffentlichte zu einzelnen Regeln provokante Beiträge im internen Magazin, verknüpfte das Thema mit anderen Initiativen, z.B. mit der Mitarbeiterbefragung oder dem neuen Leitbild und öffnete Gruppen in digitalen Kollaborationstools, mit denen man ca. 30.000 Mitarbeiter erreichte.

Ein schönes Fazit: Es gelang, das Thema über mehrere Jahre auf der Agenda zu halten – und das finde ich in der Tat beeindruckend, denn Kulturveränderungsprojekte versickern in der Regel nach einem überschaubaren Zeitraum. Vermutlich war oder ist der Sponsor entsprechend mächtig, aber egal, es hat sich etwas getan.

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