KRITIK: Ausgedient hat er, der Mittelmanager. Oder doch nicht? Auf jedem Fall geht es ihm nicht gut. Er ist deutlich unzufriedener als Manager der oberen Ebene, ist gestresster und weniger produktiv und „hat doppelt so stark damit zu kämpfen, sich ein Gefühl der Zugehörigkeit zu bewahren“. Das hat eine weltweite Umfrage unter 3.000 remote Arbeitenden ergeben (Neue Rolle). Was hat sich geändert?
Drei Ursachen macht der Autor im Harvard Business Manager aus: (1) Das „Nine-to-five-Modell“ ist out, die Teammitglieder sitzen irgendwo auf der Welt und arbeiten, wann es ihnen passt – brauchen keine Aufseher mehr, der herumläuft und nach dem Rechten schaut. (2) Es braucht auch niemanden mehr, der Informationen von oben oder außen nach unten (gefiltert) weiterreicht, der digitale Kanal erledigt das. (3) Command and Control ist ebenfalls überflüssig, die Kontrolle übernehmen digitale Tools oder liegt in Zeiten von Selbstorganisation beim Team selbst.
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Na, dann schaffen wir sie doch ab, wäre die logische Konsequenz. Natürlich nicht, denn Führung braucht der Mensch, und das kann der Vorstand nicht allein leisten. Vielleicht nicht mehr so viele, deshalb lautet hier eine Forderung: Weniger, aber bessere Mittelmanager. Und was sollen die tun? Sinn stiften, Verbindungen knüpfen, Zugehörigkeit in den Teams aufbauen, Talente fördern, klarstellen, was die Aufgaben und Ziele des Teams sind.
Schützenswerte Spezies?
Das sehen auch die Berater von McKinsey so ähnlich. Die haben umfangreiche Umfragen durchgeführt und halten den Mittelmanager für unersetzbar, deshalb sollen sich Unternehmen „schützend vor und hinter ihre Mittelmanager“ stellen (Mehr Mitte, bitte!). Was für ein kluger Rat. Unternehmen, die Menschen beschäftigen, sollten sicherlich alle so behandeln. Und wer sich weiter Mittelmanager leistet, diese natürlich auch. Aber warum sind sie so wichtig?
(1) Weil sie viel besser Einstellungsinterviews führen können als die Personaler, denn sie kennen die Bedingungen vor Ort am besten. (2) Weil sie die Belegschaft am besten kennen und mit ihnen auf Augenhöhe (mit dem Personaler) klären können, wer wie gefördert und entwickelt werden kann. (3) Und sie haben eine Lotsenfunktion – sie stiften Sinn, geben die Geschichten aus der Organisation weiter und können die Jobs passend auf die Mitarbeiter zuschneiden. (4) Und schließlich: In Zeiten, in denen Daten das Wichtigste überhaupt sind, sind sie diejenigen, die am besten wissen, wie man Daten intelligent nutzt.
Oh Mann. Da haben wir wieder das alte Menschenbild: Mitarbeitende benötigen jemanden, der sie fördert und entwickelt, denn das können wir natürlich nicht selbst. Zumindest der gemeine Angestellte kann das nicht, das ist eher was für Selbstständige, oder? Im Ernst: Natürlich wäre es gut, wenn Unternehmen Menschen an die Seite stellen, an die sie sich wenden können, wenn sie Probleme im Job haben. Oder wenn ihnen der Sinn der Aufgabe abhanden kommt. Oder wenn sie Schwierigkeiten mit Kollegen oder Kunden haben. So wie sie auch einen Ansprechpartner haben, wenn sie mit ihrer Entgeltabrechnung nicht klarkommen. Oder wenn ihnen der Rechner abstürzt oder die Heizung ausfällt. Aber brauchen sie dazu Führungskräfte?
Bleibt ein letztes verzweifeltes Argument: Menschen wollen Karriere machen, und das ging bisher nur über die Hierarchie. Aber da liegt die Antwort auf der Hand und sie findet wohl auch langsam Beachtung: Fachkarrieren mit der Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen. Ob man dafür „bessere Titel“ (Neue Rolle) benötigt, lasse ich mal dahingestellt.