INSPIRATION: In einem Beitrag in der managerSeminare (Geregelter Regelverstoß?) wird sehr schön beschrieben, welchen Nutzen die informelle Kommunikation im beruflichen Alltag stiftet – bei allen Risiken, die ihr auch innewohnt. Wer in Zeiten von Corona und Homeoffice das Informelle bewahren möchte, hat nicht viele Möglichkeiten.
Der entscheidende Nutzen informeller Kommunikation ist, dass sie die Lücken der Formalstruktur füllt. Immer dort, wo Dinge nicht geregelt sind oder wo sich die Regeln widersprechen oder wo die Regeln veraltet sind oder noch nie einen Sinn ergeben haben, helfen sich die Menschen außerhalb des Regelwerkes. Ein kurzer Anruf, ein Kniff, mit dem man an das benötigte Ersatzteil kommt, indem man den langwierigen Bestellprozess umgeht – so funktioniert informelle Kommunikation als „Schmierstoff einer Organisation“.
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Schmierstoff einer Organisation
Man kommt schneller zum Ziel und manchmal überhaupt nur deshalb, weil man sich außerhalb der Regeln bewegt. Würden Mitarbeiter sich durchgehend regelgerecht verhalten, also „Dienst nach Vorschrift“ im wörtlichen Sinn machen, stünde die Organisation still. Dass es hier auch Risiken gibt, ist bekannt. Außerhalb der Regeln kann auch bedeuten, außerhalb gesetzlicher Regeln, oder jenseits von Sicherheitsvorschriften. Und selbst wenn es weniger dramatisch ist: Geht die Sache schief, ist man „dran“.
Die Kunst der Unternehmensführung besteht nun darin, nicht zu viel Spielraum für informelle Absprachen zuzulassen, weil dann die Gefahr des Missbrauchs wächst. Andererseits aber nicht zu viel regeln zu wollen, weil dann aus den genannten Gründen die Organisation still steht.
Informalität selbst lässt sich nicht regeln, dann wäre es ja formal. Aber, so die Autorinnen, Informalität lässt sich indirekt beeinflussen. Das kennen wir ja auch: Die Teeküche, die sich als Hort des informellen Austausches erweist. Die Architektur des Gebäudes, in dem sich die Menschen über den Weg laufen müssen. Die Kantine vor Ort, in der man sich beim Anstehen unterhält. Die Anordnung der Büros, in denen man mitbekommt, worüber der Kollege gerade flucht. Die Betriebsfeiern, wo man sich mal so ganz nebenbei die Meinung sagt. Und wo es nicht nur um Informationsaustausch geht, sondern wo auch neue Ideen entstehen. Die meisten Innovationen dürften bei informellen Begegnungen entstanden sein.
Und plötzlich findet all das nicht mehr statt
Weil die Menschen, auch schon vor der Corona-Krise, von zu Hause arbeiten, sich nur noch am Bildschirm begegnen. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter viel mehr schriftlich kommunizieren. Was wiederum die Sache viel komplexer macht, denn sie binden dabei ihre Vorgesetzten mehr ein, so sichert man sich ab. Was beim kurzen Austausch auf dem Flur nicht notwendig ist, im Zweifel hat ein Gespräch eben nie stattgefunden. Das kann man bei einer E-Mail später nicht behaupten.
Man bekommt auch nicht mehr so nebenbei mit, woran der Kollege gerade arbeitet, welche Schwierigkeiten er hat und wie er die Probleme löst. Und hat damit auch keine Chance, ihm den vielleicht entscheidenden Hinweis zu geben.
Was also tun, um die funktionale Seite der informellen Kommunikation unter „Remote-Bedingungen“ aufrecht zu erhalten? Es gibt laut den Autorinnen zwei Möglichkeiten:
2 Möglichkeiten unter „Remote-Bedingungen“
- Man schafft mehr Regeln. Für das, was bisher informell geklärt wurde, müssen eben jetzt klare Regeln her. Bedeutet: Die Zuständigkeiten werden noch genauer beschrieben, es gibt konkret festgelegte Zeiten und Prozesse, in denen Informationen ausgetauscht werden und auch welche das sind. Es wird genau festgelegt, was bis wann erledigt sein muss.
Das Problem dabei: Da man nicht alles regeln kann, müssen die Mitarbeiter noch mehr tricksen, mehr Absprachen nebenher treffen und Informationen unter der Hand besorgen als vorher. Ihr Aufwand wird größer, ebenso der Frust.
- Man regelt weniger. Damit verschafft man den Mitarbeitern mehr Spielraum. Indem man z.B. Aufgaben den virtuell zusammen arbeitenden Teams überträgt, nicht einzelnen Personen und nur die Ziele festlegt, die das Team erreichen muss. Man schafft zudem virtuelle Begegnungsräume (Virtual Watercooler), wobei man sich als Führungskraft vornehm zurückhält. Beispiele sind offene Teamkanäle, in denen sich die Mitarbeiter ohne feste Termine einwählen und austauschen können. Ein anderes Beispiel: „Tastatur Picknicks“. Zwei Mitarbeiter werden zufällig ausgelost und treffen sich online zum Plausch, beide bekommen vom Unternehmen das Essen nach Hause geliefert.
Aber so viel ist auch klar: Letztlich sind das nur Krücken, und vielleicht ist der beste Tipp der letzte: Das gute alte Telefongespräch. So etwas sollte zur Routine werden, ob zwischen den Teammitgliedern oder zwischen Führungskraft und Mitarbeiter.
Letzteres, so scheint mir, ist dank Whatsapp, E-Mail und Co. ein Stück aus der Mode gekommen. Menschen tun sich schwerer, zum Telefon zu greifen, aber vielleicht erlebt das klassische Telefongespräch dank „remote work“ eine Renaissance. Was eine Art Fortschritt wäre …