KRITIK: Die Verhaltensökonomen machen lustige Experimente. Auch bei diesem stellt sich die Frage, ob sich die Ergebnisse auf die berufliche Realität übertragen lassen. Es geht darum, ob man Teams erzählen sollte, wer die beste Leistung erbracht hat. Das nämlich könnte eher demotiveren.
Ich musste das Interview im Harvard Business Manager mehrmals lesen, um die Anordnung und die Schlussfolgerungen nachvollziehen zu können (Demotivierende Vorbilder). In einem typischen Versuch mit Studenten erhielten diese einen Grundstock an Punkten. Diese konnten sie einzahlen. Der eingezahlte Betrag wurde vervielfacht und an alle ausgezahlt. Wer nichts einzahlte, profitierte somit am meisten. Zahlten aber nur wenige ein, war das für alle schlecht.
Hidden Agenda
In Wahrheit aber ging es um das Thema „Vorbilder“. Die Versuchsleiter blendeten zwischendurch Beträge ein, an denen man sich orientieren konnte. Blendete man einen hohen Betrag ein, der von jemandem eingebracht worden war, waren hohe Beiträge die Folge. Informierte man zusätzlich darüber, dass dies der höchste eingezahlte Beitrag war, sank die Bereitschaft. Soll heißen: Es ist nicht förderlich, wenn man Menschen zeigt: Guck mal, das schafft der Beste von euch.
Völlige Transparenz allerdings funktionierte auch nicht. Wurde gezeigt, was jeder einzelne einzahlte, orientierten sich die anderen am schlechten Vorbild. Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Es ist durchaus sinnvoll, positive Vorbilder zu zeigen. Menschen wollen sich vergleichen und brauchen Orientierung, sonst werden sie nur mutmaßen und sich an Vermutungen orientieren. Aber es ist nicht gut, einzelne als die „Besten“ herauszustellen. Der könnte sich sagen: Warum sollte ich hier dauerhaft mehr tun als alle anderen? Und sein Engagement zurückfahren. Was die Leistung der Gesamtgruppe schwächt. Und andere könnten immer unterhalb dessen bleiben, was der Beste schafft, um nicht negativ aufzufallen, aber gleichzeitig von seiner Leistung profitieren (Trittbrettfahrerproblem).
Komplizierte Sache
Tja, Menschen sind wirklich kompliziert. Und soziale Prozesse vermutlich alles andere als so einfach gestrickt wie in diesem Versuch. Sollten Chefs also, wie hier empfohlen, zwar einzelne Mitarbeiter als Vorbild hinstellen und ihre Anstrengung würdigen, aber die Gruppe im Unklaren darüber lassen, ob das die Bestleistung ist? Das wird in dem Interview als Empfehlung gegeben.
Wie so oft bei solchen Experimenten scheint mir das arg voreilig. Da sagt also mein Chef: „Hört mal, der Müller hat diesen Monat X Aufträge an Land gezogen. Tolle Leistung, vielen Dank.“ Und sagt nicht: „Keiner hat sonst so viel geschafft wie der Müller.“ Dann denken alle: „Wow, das versuche ich auch.“ Sagt er aber: „In diesem Monat hat Müller den Top-Wert erzielt.“ Dann denken alle: „Och, dann brauche ich mich ja nicht sonderlich anzustrengen, ein bisschen drunterbleiben genügt. Hauptsache, nicht zu weit davon entfernt bleiben.“
Anders als im Experiment kennen die Menschen in Teams sich und sind nicht völlig ahnungslos. Spätestens beim zweiten Mal wissen sie, ob das der Höchstwert war. Und wenn dann einer feststellt, dass er selbst mehr Abschlüsse erzielt hat, wird er sich doch fragen, wieso er nicht erwähnt wurde. Oder ist damit gemeint: Man darf nur nicht aussprechen, dass es der Beste war, auch wenn es alle wissen? Sollten wir tatsächlich so leicht zu steuern sein?