INSPIRATION: Vermutlich kennt das jeder von uns aus eigener Erfahrung. Ein bestimmter Vorgang dauert im Schnitt 10 Minuten, dann müsste man in einer Stunde sechs hiervor bewältigen. Aber das kommt nie hin. Warum nicht? So ganz klar geworden ist mir das nicht, aber angeblich lässt es sich mathematisch berechnen. Und es hat unmittelbare Konsequenzen für alle, die meinen, ihre Mitarbeitenden sind nicht vollständig ausgelastet.
Die Sache sieht so aus: Wenn ein Kassiervorgang im Schnitt 4 Minuten dauert, kann der Kassierer 15 Kunden pro Stunde „verarbeiten“. Kommen im Schnitt aber nur 12 Kunden an die Kasse, liegt sein Auslastungsgrad bei 80 %. Das ist noch einfach. Denkt sich vielleicht auch der Chef und fürchtet, sein Kassierer dreht 10 Minuten Däumchen. Könnte dazu führen, dass er weniger Kassen öffnet, um die „Ankunftsrate“ der Kunden zu erhöhen.
Funktioniert aber laut der Warteschlangentheorie nicht. Deren mathematische Formel ergibt bei dem obigen Beispiel, dass bei 80% Auslastung im Schnitt drei Kunden an seiner Kasse warten und die Kunden durchschnittlich 20 Minuten an seiner Kasse stehen. Die Schlussfolgerung hieraus: Wer einen reibungslosen Ablauf haben möchte, der muss den Auslastungsgrad seiner Mitarbeitenden senken, nicht steigern.
Was die mathematische Formel erklärt
Übertragen auf das komplette Unternehmen ergibt sich hieraus noch eine viel weitreichendere Konsequenz. Wenn Manager versuchen, die Effizienz zu steigern, indem sie z.B. die Aufgabenliste voller packen, führt das zu Frust bei den einen (analog zu den Kunden in der Warteschlange) und zur Überlastung bei den anderen (obwohl ihre Auslastung unter 100% liegt), zu Stress, Erschöpfung und steigenden Ausfallzahlen.
Außerdem, so Andreas Diehl in der managerSeminare (Agilitätsbremse Arbeitsauslastung), führt eine zu hohe Auslastung dazu, dass Aufgaben nach oben delegiert werden, was wiederum zu einer höheren Auslastung des Managements führt, so dass auch dieses überlastet ist. Darunter leiden strategisch wichtige Diskussionen, Entscheidungen werden mit heißer Nadel gestrickt und es knirscht an allen Ecken und Enden.
Es ist übrigens nicht damit getan, mehr Personal einzustellen. Das erhöht die Komplexität der Aufgaben und damit den Aufwand, zum anderen lassen sich Aufgaben oft auch nicht teilen. Letztlich lautet die Lösung: Reduzierung des Auslastungsgrades. Diehl schlägt vor, die Auslastung des Managements auf 50% zu begrenzen, die der Teams auf 60%. Das hat zum einen den Vorteil, dass das Management neben seinen strategischen Aufgaben auch kurzfristig eingreifen kann, wenn es notwendig ist und hier mit Bedacht handeln kann. Das funktioniert, indem es Entscheidungsmacht nach unten delegiert. Da frage ich mich, wie sehr man dann den Auslastungsgrad der Teams senken muss, damit auch diese vernünftig entscheiden können.
Mein Fazit: Dass Menschen nicht zu 100% Auslastung ertragen können, sagt einem der gesunde Menschenverstand, oder? Schön, wenn es dazu eine mathematische Formel gibt, damit überzeugt man vielleicht jene, die immer wieder versuchen, die Auslastung hochzutreiben. Wie hoch die Auslastung letztlich sinnvoller Weise ist, hängt sich sehr stark von der Tätigkeit und den Aufgaben ab. Vielleicht taugt die Warteschlangenformel ja, um hier eine Empfehlung zu generieren.