27. April 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Wenn das Mindset auf halb sieben hängt

INSPIRATION: Das ist ja ein Ding! Da reden wir uns seit Monaten den Mund fusselig … und dann so etwas. Wir bekommen Unterstützung von prominenter Stelle: Mindset sei ein missverständlicher, wenn nicht sogar gefährlicher Begriff.

Ich muss gestehen, das ist schon eine Genugtuung. Aus berufenem Munde Unterstützung zu erhalten. Christina Grubendorfer (Das Mindset-Missverständnis) ist schließlich keine Unbekannte. Vor Jahren (2016) schon hat sie das schöne Büchlein zur Organisationskultur geschrieben (Du sollst nicht an der Unternehmenskultur schrauben!). Jüngst erschien The Real Book of Work (Die (fast) perfekte Organisation). Und dazwischen hat sie den spannenden Lea-Podcast produziert, der inzwischen becomebetter heißt.


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Mindset als Holzweg

Grubendorfers Kritik ist systemisch geprägt. Die Vorstellung, man könne ein Mindset „programmieren“, ist ihr ein Graus. Sie listet 8 Missverständnisse auf:

  • Das Verhalten eines Menschen folge seinem Mindset. Das, so könne man die Autorin verstehen, entstamme einem steinzeitlichen Verständnis wie man es aus dem Behaviorismus kennt: Auf einen Reiz folge eine spezifische Reaktion. Das wissen wir aber längst viel besser. Verhalten ist kontextspezifisch, also situationsabhängig. Zudem wird es von einer Fülle von mentalen Aspekten beeinflusst.
  • Mindsets lassen sich „ausrollen“. Einstellungen sind schwer zu verändern. Sie lassen sich nicht von außen überstülpen. Eine solche Vorstellung ist blauäugig, übergriffig – und man könnte ergänzen – manipulativ.
  • Mindsets lassen sich objektiv beobachten. Das ist Wunschdenken. Wir können keine Gedanken lesen. Was beobachtet wird, hat allerdings oft mehr mit dem Beobachter selbst zu tun als mit dem Beobachten. Und Verhalten in Organisationen hat mehr mit der Kontextgestaltung (z.B. Entgeltsystem) zu tun als mit Einstellungen.
  • Das Verhalten der Menschen in Organisationen hat vor allem psychologische Ursachen. Einmal abgesehen von der Frage, was mit diesem platten Statement gemeint sein mag, ist es sträflich einäugig. Mitarbeitende agieren doch nicht im luftleeren Raum. Organisationsstrukturen, so die Autorin, – und ich würde ergänzen: Organisationskulturen – beeinflussen stark das Verhalten ihrer Mitglieder.
  • Mindsets sind konsistent. Auch das ist eine grob fahrlässige Vereinfachung. „Wir alle denken einmal so und dann wieder ganz anders.“
  • Um Organisationsprobleme zu beheben, muss man an den Mindsets der Mitglieder ansetzen. Um Organisationen zu verändern, so die Autorin schon in ihrem Büchlein aus dem Jahr 2016 (s.o.), sollte man besser an den Strukturen ansetzen. Ich würde hier gerne ergänzen, dass man sich der Vorstellung der Möglichkeit einer Gehirnwäscherei tunlichst enthalten sollte.
  • Mindsets sind Bestandteile von Organisationen. „Mindsets als psychische Systeme sind als Umwelt von Organisationen zu denken. Mindsets sind zwar strukturell an Organisationen gekoppelt, aber können nicht determinieren, was in Organisationen passiert.“ Das sehe ich – mit Jürgen Kriz (Ganzheitliche Psychologie) – zwar anders und wie ich meine differenzierter; aber das auszuführen würde hier zu weit führen.
  • Unternehmen können Ansprüche erheben an ein bestimmtes Mindset. Kann man machen … Es würde aber nicht nur als übergriffig wahrgenommen und deshalb vermutlich zu Widerständen führen, sage ich an der Stelle. Und die Autorin Grubendorfer: „Betrachtet das Mindset der Organisationsmitglieder als ihre Privatsache.“

Die Alternative

Man sollte sich nicht verleiten lassen, dieses Mindset-Spiel, Grubendorfer nennt es „Mindset-Bingo“, mitzuspielen. Die Autorin lenkt den Blick auf den Kontext, auf die Verhältnisse: „Fragt euch lieber, welche Programme (Bonussysteme, Karrierepfade, Prozessstrukturen, Vorschriften etc.) in der Organisation handlungsleitend wirken.“ Der Blick geht dann auf Spiele, Spielregeln, Mitspielende, die eine Rolle spielen. – Ein anderes Spiel.

Und sie gibt noch einen wichtigen Ratschlag. Es gelte nicht, die Mitarbeitenden „umzuprogrammieren“. Andersherum würde ein Schuh daraus: „Nehmt die Menschen mit in eine gewünschte Zukunft.“ – Das klingt doch deutlich freundlicher und konstruktiver.

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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