20. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Auf der letzten Rille

INSPIRATION: Den meisten deutschen Unternehmen fehlt eine gute Gesundheitsstrategie. Was gemacht wird, ist meist zu wenig. Nun kommt mit Wucht der Fachkräftemangel. Wo soll das enden? Man ahnt es …

„Die Belastungen der körperlichen und psychischen Gesundheit von Beschäftigten sind in den vergangen zwei Jahren extrem gestiegen,“ resümiert Autorin Katharina Schmitt (Woran das Gesundheitsmanagement krankt). Pandemie und Krieg haben Spuren hinterlassen. Und jetzt herrscht auch vielerorts Personalmangel. Ihre Diagnose: „eine erschöpfte Belegschaft, die auf das Ende ihrer Leistungsfähigkeit hinsteuert.“ Solches hört man in den Unternehmen nicht so gerne. Schließlich hat man doch bislang immer noch und irgendwie die Kurve gekriegt. Und dass das Jammern des Kaufmanns Gruß sei, wird dann gerne in Anschlag gebracht: Alles nicht so schlimm.


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Verbalradikale

Das Problem: Die Unternehmen haben zwar verbal Anstrengungen versprochen. Die meisten haben aber die Hausaufgaben beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) nicht gemacht. Es sind noch nicht einmal ein Drittel der Unternehmen, die ein ganzheitliches BGM implementiert haben. Das sind die erschreckenden Ergebnisse der Studie „Whatsnext 2022 – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“. Sie wurde von der Techniker Krankenkasse (TK), dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) und dem Personalmagazin durchgeführt und ist die größte ihrer Art. Über 1.000 Geschäftsführende, HR- und BGM-Verantwortliche wurden im Herbst 2022 befragt.

Die meisten Unternehmen setzen eher auf punktuelle Einzelmaßnahmen. Oder produzieren Flickenteppiche. Das mag man noch wohlwollend Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) nennen. Doch von Strategie ist da wenig zu sehen – und das ändert sich schon seit Jahren nicht. Im Bereich Arbeitssicherheit sieht man Angebote (77,9% der Befragten), auch im Bereich Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) (75,5% der Befragten) sowie im betrieblichen Versorgungsmanagement (71,7% der Befragten). Dann wird’s schnell dünner. Und die meisten Angebote haben eher verhaltenspräventiven Charakter. Die wichtigen und wirkungsvolleren verhältnispräventiven Maßnahmen muss man mit der Lupe suchen.

Unwuchtigkeiten

Wo knirscht es am meisten im Gesundheitsmanagement?

  • Es werden nicht alle Personengruppen im Unternehmen adressiert: Für Führungskräfte, Homeoffice- oder hybrid Arbeitende, auch für Teilzeitbeschäftigte und junge Beschäftigte (Azubis) gibt es Angebote. Bei den stark beanspruchten gewerblichen Beschäftigten und Schichtarbeitenden ist „Hängen im Schacht“. Das wird sich rächen, wenn der Fachkräftemangel zunimmt.
  • Viel Aktionismus, wenig Strategie: Eine Obstschale auf dem Tisch nach dem Motto „An apple a day keeps the doctor away“ und ein paar Sportangebote sind ungeeignet, die psychischen Beanspruchungen zu verringern. Das hat sich offenbar immer noch nicht herumgesprochen. Angebote zum Stressmanagement und zur Ressourcenstärkung gibt es lediglich bei einem Drittel der Unternehmen. Und so glaubt man offensichtlich in den Unternehmen überwiegend immer noch, Gesundheit ließe sich über Indikatoren wie Krankenstand, Fluktuation oder Produktivität steuern. Ein Irrtum: Das sind Spätindikatoren. Es sind sprichwörtlich schon diverse Kinder in den Brunnen gefallen, man hat es bloß nicht bemerkt. Die im Jahr 2013 vom Gesetzgeber verpflichtend eingeführte psychische Gefährdungsbeurteilung wird lediglich von der Hälfte der Unternehmen durchgeführt.
  • Das Thema gesunde Führung bleibt unterbelichtet: „Flächendeckende Angebote zur gesunden Führung fehlen – lediglich 38,3 Prozent der Organisationen bieten aktuell Maßnahmen.“ Offenbart fehlt hier die Verankerung in der Unternehmenskultur. Es finden sich dort stattdessen mehr oder weniger unausgesprochene Glaubenssätze wie: Führungskräfte sind selbst verantwortlich für ihre Gesundheit, sie sind ja Führungskräfte und werden dafür entsprechend bezahlt. Und so mancher Mitarbeiter ist halt faul und macht schlicht blau, wenn er mit dem gelben Schein wedelt. Weicheier alle …
  • Investitionen zum Aufbau eines strukturierten BGM werden nicht getätigt: Ein Trend, der schon seit Jahren zu beobachten ist – und der in Krisenzeiten erst recht dominant wird. Die Kostenbremse wird gezogen. Offenbar gibt es Wichtigeres als Gesundheit. Und bei der Balanced Scorecard (BSC) handelt es sich offensichtlich um ein veraltetes Babyboomer-Konstrukt.

Und der Schweinezyklus

All das erinnert mich an die guten alten Silvester-Vorsätze: Man könnte ja mal mit dem Rauchen aufhören … Eine solche Einstellung und das halbherzige Tun werden sich rächen und rächen sich längst schon. Bis dann wirklich etwas getan wird, hat man Jahre verschlafen und befindet sich mitten im „Schweinezyklus“: Die Mitarbeiter sind entweder krank oder haben gekündigt. Neue sind nicht in Sicht. Migration wollte man auch nicht. Zu dem Zeitpunkt hat man dann erst recht keine Zeit und kein Budget mehr für den Aufbau eines BGM. Denn das fällt nicht vom Himmel, sein Aufbau dauert Jahre.

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