11. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Weil wir uns alle lieb haben

KRITIK: Ich gestehe, den Begriff der dienenden Führung (Servant Leadership) konnte ich noch nie leiden. Vielleicht liegt es an meinem ausgeprägten Autonomie-Motiv? An meinem Verständnis von Dienstleistung? Oder an meinem feinen Gespür für Doppelmoral? Schließlich lautet einer der Namen des Papstes „Diener der Diener Gottes“. Und diesen Diener habe ich „ungläubiger Thomas“ schon vor vielen Jahren gefeuert …

Aber ich entspanne mich mal wieder und bleibe natürlich diskussionsbereit. Was also ist dran am Konzept? Zwei Autorinnen (Wer dient, gewinnt) versuchen mir die Sache schmackhaft zu machen. Denn die Forschung hege eine gewisse Sympathie für den Führungsstil, sagen sie. Weil: „Die Führungskraft stellt die Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Vordergrund.“ Na, sowas, denke ich mir, den Köder kenne ich doch! Nennt man das heutzutage nicht Empowerment (Mit Empowerment zu New Work)? Und wir wissen doch auch, wie wenig von Wunsch und Verheißung unterm Strich letztlich für die Mitarbeitenden abfällt (Wasch‘ mir den Pelz, aber …). Oswald Neuberger hat das schon früh sarkastisch kommentiert: „Der Mensch ist Mittel. Punkt.“


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Paradiesische Zustände

Dienende Führung klingt aber so optimistisch, dass es schon fast weh tut. Man setzt der altbekannten transformationalen Führung noch ein spirituelles Krönchen auf: Nach der berühmten Extrameile nun das „You‘ll never walk alone.“ Nicht dass meine verehrte Leserschaft denkt, mir seien mal wieder die Pferde durchgegangen: Der Erfinder der dienenden Führung entstammt tatsächlich dem religiösen Milieu. Und das Schwärmerische, Vage, sich gegen Kritik immunisierende, weil unzureichend definierte Konzept, bemängele nicht nur ich. Wie ein Blick ins Lehrbuch des Nestors der Personalführung, Jürgen Weibler, leicht offenbart.

Doch lesen Sie selbst: „Im Gegensatz zu transformationaler Führung baut dienende Führung auf der Idee auf, dass die Führungskraft nicht die Ziele des Unternehmens priorisiert, sondern die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und der Gemeinschaft.“ Klingt das nicht nach dem Paradies auf Erden? – Aber einmal Hand aufs Herz: Möchte man da Shareholder sein?

Im Personalmagazin schwärmen die Autorinnen: „Dienende Führung steht beispielsweise in positivem Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit, Motivation und Verbundenheit mit dem Unternehmen sowie der Arbeitsleistung der Mitarbeitenden.“ Und so haben sie ein wenig Forschung betrieben zum Konzept der dienenden Führung. Ihr Interessesse gilt der Fragestellung, ob es auch karrieredienlich für Führungskräfte ist, zu dienen. Und ob dienende Führung nicht eher ein weiblicher Führungsstil ist.

Ein Experiment

Sie führten ein Online-Experiment durch. Die Teilnehmer:innen sollten diverse Führungsszenarien bewerten. Die Schilderungen wurden zufällig mit den Silhouetten einer Frau oder eines Mannes dargeboten. Gefragt wurde dann unter anderem nach der wahrgenommenen Effektivität, Sympathie und Beförderungswürdigkeit. Was waren die Ergebnisse? „Wir fanden heraus, dass dienende Führung mit einer höheren wahrgenommenen Effektivität, Sympathie und Beförderungswürdigkeit der Führungskraft bewertet wurde als direktive Führung. Dieser Effekt war unabhängig vom Geschlecht der Führungskraft.“

Ist das überzeugend? Mich hat es nicht überzeugt. Das Experiment scheint mir normativ aufgebaut zu sein – so normativ wie das Konzept selbst schon ist: „Sag mir, wo du die Ostereier versteckt hast, damit ich sie auch finden kann.“ Und was dann folgt, ist absehbar: Dienende Führung müssen jetzt alle lernen! Also vor allem die Männer …

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