KRITIK: Hier mal ein Beispiel, warum es alles andere als einfach ist, Coaching-Techniken in Führungssituationen einzusetzen. Martin Wehrle beschreibt in der managerSeminare (Die wertvollste Abschussfrage), wie ein Mitarbeitergespräch enden könnte, nämlich mit der Frage: „Was hat Sie im heutigen Gespräch am meisten vorangebracht?“ oder „Welcher Gedanke aus dem heutigen Gespräch hat Sie am meisten inspiriert?“
Die Frage ist ein schöner „Brauch“ im Coaching und führt dazu, dass der Coachee wertvolle Gedanken und Ideen noch einmal konkretisiert und als Ergebnis mitnimmt. Bekanntlich bleibt ja das, was wir als letztes äußern, besonders gut hängen. Sonst passiert es nicht selten, dass man irgendwann da sitzt und sich fragt: „Was war das noch mal, was ich mir unbedingt merken bzw. vornehmen wollte“? Zudem lenkt die Frage in eine positive Richtung, auf eine wesentliche Erkenntnis, die uns weiterbringt.
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Anwendung im Führungsgespräch
Der Mitarbeitende geht auch hier mit einem positiven Gedanken aus dem Gespräch hervor. Und die Führungskraft lernt auch etwas. Nämlich, was an ihrer Gesprächsführung besonders wirkungsvoll war, was den anderen weitergebracht hat. Die Frage sollte auch nicht nur im formellen Mitarbeitergespräch gestellt werden, sondern auch in anderen Gesprächen. Und die Führungskraft sollte sich fragen, was für sie in dem Gespräch am wertvollsten war. So haben beide einen Nutzen davon.
Im Coaching erscheint eine solche Frage höchst sinnvoll – aus den oben beschriebenen Gründen. Hier gibt es einen klaren Auftrag vom Coachee an den Coach: Hilf mir, mich weiter zu entwickeln! Aber zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden? Da sitze ich als Befragter und muss mir etwas überlegen. Wie stehe ich denn da, wenn ich zu der Erkenntnis gelange: Das ganze Gespräch hat mich kein bisschen weitergebracht? Oder die wesentliche Erkenntnis ist, dass ich mich so bald wie möglich nach einem neuen Job umschaue. Vielleicht inspiriert mich aber vor allem der Gedanke, was ich in den Gesprächen mit meinen Mitarbeitenden auf jeden Fall anders machen würde?
Augenhöhe?
Etwas ernsthafter: Wenn ich mit meinem Gegenüber vereinbare, dass wir uns am Ende eines Gespräches mal austauschen, was uns das Gespräch gebracht hat, wäre das eine feine Sache. Ich könnte mir gut vorstellen, mit einem Kollegen einen intensiven Austausch zu pflegen und am Ende mal die empfohlene Frage zu beantworten. Dann sollten das aber beide Gesprächspartner tun. Das würde ich Augenhöhe nennen. Wie realistisch ist das zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem? Wie in dem Beitrag schon angedeutet: Mitarbeitende sprechen aus, was für sie am wertvollsten war, Führungskräfte überlegen sich, was sie mitgenommen haben. Das ist alles andere als Augenhöhe.
Daher meine Empfehlung: So schön die Frage auch ist – stellen Sie sie als Führungskraft eher nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, eine ehrliche Antwort zu bekommen, ist eher gering. Selbst wenn Sie mit gutem Beispiel vorangehen und als erstes äußern, was sie speziell aus diesem Gespräch mitnehmen …