21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Arbeit als Erlebnis?

KRITIK: Das Wort Fan kommt vom lateinischen Fanaticus  und bedeutet „von der Gottheit ergriffen, in rasende Begeisterung versetzt“. Wir erinnern uns vielleicht noch an Zeiten als Fan einer Musikgruppe. Andere dürften mit dem Begriff die Anhängerschaft für einen Fußballclub verbinden. Aber Fan des eigenen Arbeitgebers? Davon träumt der Personaler.

In einem Interview mit dem Personalmagazin erklärt die Personalchefin von Vodafone, dass man Leistung nicht nur mit reiner Vernunft erzielt, sondern dass es hierfür Begeisterung und Engagement der Mitarbeiter braucht. Und das wiederum fördert man, wenn man für Erlebnisse am Arbeitsplatz sorgt – womit wir beim Thema „Employee Experience“ sind („Arbeitgeber wollen Fans“): „Wir leben in einer Experience Economy … die Qualität der Erlebnisse, die Mitarbeitende mit ihrem Arbeitgeber machen, prägt ihre Beziehung.“

Nehmen wir das mal einen Moment lang ernst. Der Fußballfan hat seine Erlebnisse, wenn er ins Stadion geht und seine Mannschaft unterstützt. Oder wenn er einem der Stars begegnet, ein Autogramm ergattert. Mit Inbrunst die Vereinshymne schmettert. Oder wenn er sich mit anderen Fans zusammen auf den Weg zum Auswärtsspiel macht und dabei kräftig einen bechert. Sich vielleicht auch mal eine Auseinandersetzung mit den gegnerischen Fans liefert. Der Fan einer Band besucht Konzerte, ist seinen Stars ganz nah, singt begeistert mit. Liest die Geschichten über seine Helden. Sammelt ihre Platten. Alles Erlebnisse.

Nun stelle ich mir vor, der Mitarbeiter eines Unternehmens geht am Morgen ins Büro und erwartet Erlebnisse. Je intensiver und beglückender, umso enger ist ihre Verbindung zum Arbeitgeber. Und umso größer das Engagement. „Es geht darum, dass Mitarbeitende sich mit ihrer gesamten Persönlichkeit einbringen können.“

Was sind denn nun die Erlebnisse, die Mitarbeiter zu Fans ihrer Firma machen sollen? Und die vom Arbeitgeber beeinflusst werden können? Die Personalerin nennt planbare Ereignisse wie Onboarding, Beförderung, Weiterbildung, Elternzeit oder Offboarding, aber auch der Umgang mit Krisensituation wie Corona oder Flüchtlingen wie zu Zeiten des Ukrainekriegs. 

Keine Frage, wenn Unternehmen in den genannten Situationen für bleibende positive Erinnerungen sorgen, werden Mitarbeiter ihnen das hoch anrechnen. Aber letztlich sind es doch die täglichen Erlebnisse, von denen Mitarbeiter zehren. Zu einem Fußballspiel geht man maximal einmal pro Woche während der Saison, zu einem Konzert wenige Male im Jahr. Am Arbeitsplatz taucht man täglich auf, und in der Tat ist das, was ich dort erlebe, prägend für meine Einstellung zum Arbeitgeber. Aber wie realistisch ist es, dass mich das in „rasende Begeisterung“ versetzt? 

Ich kann mich tatsächlich an Zeiten erinnern, in denen ich abends begeistert „von der Arbeit“ kam. Das waren Tage, in denen ich mit Kunden zu tun hatte, ob intern oder extern, die sich hoch zufrieden über die von mir erbrachten Dienstleistungen gezeigt hatten. Oder in denen es mir zusammen mit Kollegen gelungen war, Lösungen zu entwickeln, die funktionierten. Das waren echte Erlebnisse, die mit positiven Gefühlen verbunden waren. Ich hätte mich damals tatsächlich als höchst engagiert und mitunter auch als begeistert bezeichnet. Damit war ich aber längst kein Fan meines Arbeitgebers. 

Will sagen: Arbeitgeber können etwas tun, um Begeisterung und Engagement zu wecken. Sie können ihnen Rahmenbedingungen bieten, die solche Erfolgserlebnisse ermöglichen. Und sie können die oben genannten Momente wie Onboarding u.ä. so gestalten, dass sie nicht in Frust ausarten. Aber der Anspruch, mit einem tollen Onboarding-Prozess Mitarbeiter zum Fan zu machen, ist naiv. Und eine Kündigung so zu gestalten, dass der Mitarbeiter „Fan“ bleibt, erst recht. Die Begeisterung, die hier vielleicht kurz aufkommt, wird schnell versanden, wenn es am Arbeitsplatz nicht stimmt. 

Vielleicht noch eine letzte Anmerkung: Der ganze Ansatz erscheint mir höchst antiquiert. Er geht davon aus, dass nach wir vor auf der einen Seite der Arbeitgeber steht, der sich tolle Dinge überlegen muss, um die andere Seite, den Arbeitnehmer, an sich zu binden. Statt Organisationen als (Interessen-)Gemeinschaft zu verstehen, die auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet.

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