INSPIRATION: Mehrmals habe ich dieses Interview gelesen, weil es mich schwer beeindruckt hat. Es hat aber einige Anläufe gebraucht, hieraus einen Beitrag für MWonline zu erstellen. Am Ende sind es zwei Botschaften, die uns nachdenklich machen könnten („Ich bin für Umbrüche geboren“).
Die GLS-Bank hat einen interessanten Weg entdeckt, wie sie ein typisches Problem der Hierarchie löst oder zumindest die Nebenwirkungen abschwächt. Jede Führungskraft, die Entscheidungen trifft, hat eine eingeschränkte Sichtweise, das gilt auch für ein Vorstandsteam. Bei der Bank hat man zwölf mögliche Perspektiven gefunden, und damit diese angemessen berücksichtigt werden, hat man ein Team aus zwölf Personen gebildet, die die jeweiligen Perspektiven vertreten und das „auf Lernreise auch an die Ränder der GLS-Bank geht und daraus strategische Skizzen entwirft„.
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Was etwas abstrakt klingt, hatte für die Personalvorständin interessante Konsequenzen. Eine ihrer Perspektiven ist die der Genügsamkeit (spannend für eine Bank). Als es um Gehaltsanpassungen im Vorstand ging, die alle drei Jahre stattfinden, wollte sie darauf verzichten: „Mir reicht es, ich brauche nicht mehr.“ Aber der Aufsichtsrat war der Meinung, dass das Prinzip der Gleichbehandlung wichtiger war (Stichwort „Equal Pay“).
Ein Experiment
Statt das Geld zu spenden, entschloss sie sich, es einer jungen Frau zu geben, von der sie wusste, dass diese das Geld brauchte. Ein Jahr lang, so lautete die Vereinbarung, sollte sie es als Geschenk erhalten, ohne Verpflichtungen, ohne Bedingungen. Es dauerte eine Weile, bis die Frau das Geschenk annahm. Die „Spenderin“ lehnte Gespräche während der Zeit ab, weil sie die Beschenkte nicht unter Druck setzen wollte, auch nach dem Jahr wollte sie eigentlich keinen Bericht über das, was die junge Frau mit dem Geld gemacht hatte.
Irgendwann aber trafen sie sich und diskutierten zwei Tage lang über Fragen wie „warum der eine so viel hat und andere so wenig„. Und weshalb die Beschenkte das Geld bekommen hatte, wo es andere doch so viel nötiger gehabt hatten. Klar war für sie, dass sie nie wieder Geld von ihr annehmen wollte.
Das Fazit der Vorständin: „Nur wenn wir Geld wirklich freilassen, also ohne Forderung schenken, kann sich eine Augenhöhe einstellen.“ Das erinnert stark an die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens und macht doch sehr nachdenklich. Jeder, der der Meinung ist, er habe sein Einkommen, speziell die Höhe des Einkommens, verdient, mag sich mal fragen, wieso eigentlich.
Aber noch einmal zurück zur Eingangsidee: Der Ansatz, sich zu überlegen, welche Perspektiven bei strategischen Entscheidungen Berücksichtigung finden sollten und dafür zu sorgen, dass diese Perspektiven auch wirklich eingebracht werden, gefällt mir gut.