KRITIK: Der Non-Profit-Sektor ist riesig – in Deutschland arbeiten darin angeblich ca. drei Millionen Menschen. Sie zeichnet so einiges aus, was Unternehmen sich von ihren Mitarbeitern wünschen. Umso erstaunlicher, dass die NPOs nun von Unternehmen lernen sollen, sich professioneller aufzustellen.
Hier die Merkmale vieler NPOs beziehungsweise ihrer Mitarbeiter: Sie sind in der Regel an einer Ideologie und den zugrunde liegenden Werten ausgerichtet, ausgeprägt intrinsisch motiviert und davon überzeugt, dass sie das Richtige tun. Oft arbeiten sie freiwillig mit (ein lustiger Satz – welcher Mitarbeiter in Unternehmen wird denn gezwungen mitzuarbeiten? Aber vermutlich sind hier ehrenamtliche Mitarbeiter gemeint). Sie „stellen hohe Ansprüche an Mitgestaltung und Konsensorientierung,“ sowohl bezüglich der strategischen Ausrichtung als auch im operativen Bereich. Karriere im klassischen Sinn streben die meisten nicht an. Sie mögen keine formalen Strukturen, Macht und Autorität sehen sie skeptisch (Wachstumsschmerzen im Non-Profit-Sektor). Wer hier etwas ändern will, hat es schwer.
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Für die Verantwortlichen ist das eine besondere Herausforderung, denn die Zeiten werden härter. Viele ringen um die benötigten Mittel. Es gibt weniger öffentliche Gelder, weil Kommunen, Länder und Staat notorisch klamm sind, also müssen sie andere Einnahmequellen auftun. Auch wenn sie keinen Profit erzielen müssen, so benötigen sie zumindest eine schwarze Null und Rücklagen für Krisenzeiten.
Professionalisierung
All das führt zu der Forderung nach mehr „Professionalisierung“. Und damit ist offenbar gemeint, sich bei den Maßnahmen und Strukturen von Unternehmen zu bedienen, schließlich sind diese erfahren auf dem Gebiet des Profit-Erzielens.
In dem Beitrag der Personalführung wird das Beispiel einer Organisation vorgestellt, deren Mitarbeiterzahl und Umsatz sich verdreifacht haben und die erst spät festgestellt hat, dass dieses Wachstum in der alten Organisationsform nicht zu bewältigen ist. Die Organisation war überlastet, die Mitarbeiter unzufrieden, entsprechend stieg die Fluktuation. Gesellschafter, Stiftungsrat und Geschäftsführung mussten handeln und engagierten erfahrene Berater.
Ich erspare mir hier die einzelnen Maßnahmen in Detail, so viel sei verraten: Es gab ein Kick-off mit allen, eine Analyse mit Hilfe von Interviews, ein erstes „Management-Retreat“, Workshops, ein zweites „Management-Retreat“, Mitarbeiter-Workshops, Arbeitsgruppen, einen Ergebnisworkshop mit allen und schließlich Verhandlungen mit dem Betriebsrat.
Die Ergebnisse
Die HR-Funktion wurde zu einer Abteilung ausgebaut und mit Organisationsentwicklungsexperten verstärkt. Ein Onboarding für neue Mitarbeiter wurde eingeführt und ein Personalentwicklungskonzept entwickelt. Es gibt nun ein Grundsatzdokument zur Vision, Mission und den Werten, eine neue Organisationsstruktur, einen Code of Conduct und Feedbackmechanismen zu Führung und Mitarbeiterzufriedenheit (klingt nach Mitarbeiterbefragungen). Für die Stellen in der neuen Organisation konnten sich die Mitarbeiter bewerben, wobei die Führungspositionen mit Hilfe eines externen Management-Audits besetzt wurden.
Ein geradezu klassischer Ablauf, wie er erst in Konzernen, dann auch bei vielen Mittelständlern abgelaufen ist und wohl auch noch immer zur Anwendung kommt. Was mich daran arg irritiert: Während Unternehmen gerade überall nach dem Sinn ihres Tuns suchen und hoffen, dass die Mitarbeitenden hierüber zurück zur Freude an ihrer Arbeit finden (genau eine Stärke der NPOs), und außerdem an Alternativen zur klassischen Struktur arbeiten, drückt man Non-Profit-Organisationen all den Managementmethoden-Kram auf’s Auge, der vor allem zu Formalismus und Unbeweglichkeit geführt hat, und den „professionelle Organisationen“ so gerne wieder loswerden wollen. Wie bitter ist das denn?