21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Bindemittel

INSPIRATION: Wie lassen sich Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen binden? Ich erinnere mich, dass es vor 25 Jahren so etwas wie „Retention-Management“ gab. Damals war das Problem nicht ganz so groß wie heute, wo angeblich nahezu jedes Unternehmen händeringend Fachkräfte sucht. Aber schon immer war es teurer, neue Mitarbeiter zu suchen, einzustellen und einzuarbeiten als diejenigen zu halten, die bereits eingearbeitet sind. Da leuchtet ein, dass das Thema „Mitarbeiterbindung“ an Bedeutung gewinnt.

Ich habe gleich mehrere aktuelle Beiträge gefunden, in denen uns erklärt wird, was zu tun ist. Die Versuchung ist groß, sich über die Inhalte lustig zu machen, aber vielleicht berichte ich erst einmal von jemandem aus meinem Umfeld, der nach etlichen Jahren gekündigt hat, einen neuen Job antrat, diesen nach drei Tagen hinschmiss und dann ebenso schnell wieder eine neue Stelle fand (auf der er jetzt deutlich zufriedener ist).


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Ein Beispiel

Die Kündigung erfolgte nach langer Überlegung, vielen Zweifeln und am Ende dann doch aus Überzeugung. Dabei stimmte bei der Firma so manches: Die Atmosphäre war familiär, die Kollegen und das Betriebsklima angenehm. In Sachen Arbeitszeit war die Führung entspannt und flexibel, dazu kam, dass der Weg zur Arbeit mit dem Rad möglich war. Was stimmte nicht? Vor allem eines: Die Aufgaben waren nicht mehr sonderlich herausfordernd. Der Mitarbeiter hatte sich weitergebildet, einen zusätzlichen Abschluss erworben, der Arbeitgeber hatte die Maßnahme wohlwollend unterstützt. Aber anschließend änderte sich an den Aufgaben wenig. Statt gemeinsam im Team über die Verteilung zu reden, wurde der Mitarbeiter damit vertröstet, dass man im Moment ohnehin zu viel zu tun hätte, um sich über Veränderungen Gedanken zu machen. Er verließ das Unternehmen,

nachdem er einen neuen Arbeitgeber gefunden hatte, der ihm anspruchsvollere Aufgaben in Aussicht stellte. Und dabei war der Weg zur Firma deutlich länger.

Was geschah? Von Einarbeitung keine Spur, Kollegen, die den Neuen maximal mit einem Kopfnicken begrüßten, intransparente Arbeitsabläufe, total veraltete Strukturen und Prozesse und völlig überlastete Chefs, die froh waren, lästige Aufgaben abwälzen zu können. Wie das gar nicht so selten vorkommt: Ungeliebte Aufgaben wurden dem Neuen auf den Schreibtisch gelegt mit der Bemerkung: „Sie schaffen das schon!“ Eine bittere Enttäuschung, da fiel es eher leicht, ganz schnell die Reißleine zu ziehen.

Kein Patentrezept

Womit zumindest deutlich wird, dass es viele Gründe für Menschen gibt, einem Arbeitgeber den Rücken zu kehren. Von daher ist der Rat der Experten in all den erwähnten Beiträgen nachvollziehbar: Es gibt nicht das eine „Bindemittel“ – bei jedem einzelnen Mitarbeiter können völlig unterschiedliche Gründe ausschlaggebend sein. Schon allein in Sachen Arbeitszeit: Der junge Vater möchte früher nach Hause, die Kollegin hat kein Problem mit langen Arbeitszeiten, träumt jedoch von einem Sabbatical. Und der ältere Kollege würde gerne Arbeitszeit ansparen, um früher in Rente gehen zu können.

Da wird schon klar, dass Mitarbeiterbefragungen nicht sonderlich sinnvoll sind, selbst wenn man sie auf einzelne Bereiche herunter bricht. Dann kommt zwar heraus, dass IT-ler vielleicht gerne Kongresse besuchen und Netzwerke pflegen möchten, die Forscher sich bessere Geräte und die Vertriebler bessere Unterstützung wünschen. Aber was den Einzelnen hält, erfährt man eher nicht. Also lieber Einzelgespräche, auch „Retention Interview“ genannt (Richtig schön hier!). Klingt nach einem typischen Instrument der Personaler. So wie „Exit-Gespräche“ oder „Entwicklungsgespräche“ oder „Rückkehrgespräche“ oder „Laufbahngespräche“ – solche Tools kommen und gehen, man kann sie getrost vergessen.

Onboarding verbessern

Dann schon lieber für einen vernünftigen Onboarding-Prozess sorgen. Es ist immer wieder beeindruckend, wie schlecht geplant die ersten Tage eines neuen Mitarbeiters sind – fast, als werde man völlig überrascht von seinem Erscheinen. Und statt einen „Experience Manager“ einzustellen, der für positive Erlebnisse sorgen soll, wäre es für den Personaler vielleicht sinnvoller, früh bei den Neuen nachzuhaken, wie die ersten Tage waren, was man sich gewünscht hätte, was fehlt, was den Erwartungen entsprach und was nicht. Eine gute Frage ist vielleicht: „Was haben Sie zu Hause nach ihren ersten Arbeitstagen über dieses Unternehmen erzählt?“ bzw. „Was würden Sie einem guten Freund über uns erzählen?“

Auch ein guter Tipp: Versetzen Sie sich einfach mal in den Mitarbeitenden und überlegen sich: Würden Sie diesen Job unter diesen Bedingungen mit diesen Kollegen zu diesen Arbeitszeiten für dieses Gehalt machen? Wer loyale Mitarbeitende möchte, der sollte sich selbst ihnen gegenüber loyal verhalten: „Wohlwollend, ehrlich, interessiert, mit aufrichtiger Anteilnahme.“ Das Zitat stammt von Miriam Engel (Mitarbeitertreue in der Krise).

Zwei Dinge zählen

Außer den Aufgaben selbst tauchen in der Diskussion immer zwei Dinge auf: Natürlich das Gehalt, das in jeder Umfrage ganz vorne steht bei den Antworten, welche Gründe jemanden zum Wechsel motivieren. Hier ist die Empfehlung meist relativ einfach: Zahlen Sie marktgerecht – vielleicht ein bisschen mehr als der Markt. Menschen vergleichen gerne und fühlen sich nicht gerne benachteiligt. Gegenüber den Kollegen in anderen Unternehmen, mehr aber noch gegenüber den Kollegen im direkten Umfeld. Wer hier das Gefühl hat, zu kurz zu kommen, ist offen für Angebote von Headhuntern.

Und dann die Sache mit dem Sinn. Hier sind Menschen sehr unterschiedlich gestrickt – was dem einen besonders wichtig ist, spielt bei dem anderen kaum eine Rolle. Das kann von der Branche abhängen – so fand eine Umfrage heraus, dass Bankmitarbeiter unter 26 Jahren durchaus Wert auf eine gute Altersvorsorge legen, während das bei den meisten anderen jungen Menschen eher nicht der Fall ist (Hiergeblieben!). In der Regel aber bekommt man so etwas nur mit, wenn man direkt fragt. Vermutlich eher nicht in den erwähnten „Retention-Interviews“, sondern indem man sich für den Menschen persönlich interessiert.

Skurile Anekdoten

Womit wir bei den Führungskräften sind. Da lernen wir einen neuen Begriff: Sie sollen über „Bindungskompetenz“ verfügen. Gemeint ist das offene Ohr und das Interesse für den anderen. Und die Fähigkeit, so etwas wie Gemeinschaftsgefühl im Team herzustellen. Jetzt kann ich mich doch nicht ganz zurückhalten und picke aus den verschiedenen Beiträgen mal die witzigsten Tipps heraus:

Gleichfarbige T-Shirts tragen, auch in der Mittagspause. Dann wird man von Kunden angesprochen und ist stolz darauf, zur Mannschaft zu gehören. Gemeinsamer Abend im Brauhaus. Mit der ganzen Belegschaft nach Mallorca, wo sich ein Mitglied das Firmenlogo auf die Haut tätowieren lässt. Der Personalvorstand war begeistert und bezahlte die Aktion, worauf sich weitere 12 Mitarbeitende anschlossen (Richtig schön hier!).

Oder wie wäre es mit Halteboni? Prämien, die erst ausgezahlt werden, wenn man lange genug aushält. Kann man auch mit Urlaub machen: Im ersten Jahr schon mehr als die Konkurrenz erlauben und dann alle zwei Jahre einen Tag drauflegen.

Und schließlich etwas, das nicht jeder bieten kann: Bei Haribo können die Beschäftigten angeblich so viele hauseigene Süßwaren futtern wie sie wollen. Da bleibt man natürlich besonders gerne.

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