21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Coaching – quo vadis?

KRITIK: Die Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aktuell hat dem Online-Coaching ein ganzes Heft gewidmet, darin kommen etliche Experten und einige Studien zu Wort. Welche Rolle werden Coaching-Plattformen spielen? Wie verändert sich Coaching? Welche Anforderungen kommen auf Coachs zu? Einige Trends zeichnen sich ab.

Wenn sich in der Vergangenheit viele Coachs gar nicht vorstellen konnten, überhaupt online aktiv zu werden, so dürfte diese Haltung in der Corona-Krise merklich bröckeln. Andere waren da schon vorher viel weiter, so wie zum Beispiel Elke Berninger Schäfer („Ich wollte aus meinem ganzen Repertoire schöpfen können“). Sie erzählt im Interview, dass sie die Ablehnung nicht nachvollziehen konnte. Wobei Online-Coaching eben nicht nur Präsenz-Coaching mit Kamera ist. Es ist zunächst einmal anders: Blickkontakt ist in der Tat nicht möglich, überhaupt: Die Kamera ist gar nicht wirklich wichtig – Telefonseelsorge funktioniert ja auch schon lange, und das bei vermutlich oft sehr heiklen Themen.


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Die Kamera kann sogar dazu führen, dass die Intimität sogar höher ist, was erst mal paradox klingt. Aber oft vergessen die Coachees die Kamera völlig, sie hilft am Anfang, aber dann konzentriert sich der Coachee auf das, was passiert. Und ermöglicht tiefere Einblicke als vielleicht beim Präsenz-Coaching.

Online-Coaching ist anders – nicht besser oder schlechter

Online-Coaching bietet zudem eine Reihe von Möglichkeiten, die mindestens ebenso gut funktionieren wie im Präsenzcoaching, zum Beispiel das Arbeiten mit Aufstellungstools oder Fragesets. Das gemeinsame schriftliche Bearbeiten von Fragestellungen mit dem Whiteboard ist deutlich einfacher als sonst. Vermutlich stehen wir auch erst am Anfang, denn es wird nicht beim Übertragen von klassischen Tools in die virtuelle Welt bleiben, man wird neue entwickeln, von denen wir heute noch nichts ahnen. Wer weiß: Vielleicht wird künstliche Intelligenz den Coach sogar bei seiner Arbeit unterstützen, Stichwort „Sprachanalyse“.

Noch etwas klingt überzeugend: Wenn man in virtuellen Räumen zusammentrifft, kann der Coachee auch nach der Coaching-Session dort bleiben und weiter an seinen Themen arbeiten, was im Präsenzcoaching eher nicht passiert.

Und schließlich ändert sich auch die zeitliche Komponente: Deutlich kürzere und dafür häufigere Einheiten als beim Präsenzcoaching werden hinzukommen. All das bedeutet, dass Coaches „Designkompetenzen“ benötigen werden. Das ist eines der Szenarien, die bei einer Delphi-Studie herauskamen (Die Zukunft des Coachings). Coachs werden in der Lage sein müssen, ihre Methoden und Tools räumlich und zeitlich sehr flexibel zu gestalten, das erfordert neue Fähigkeiten.

Weitere Zukunftsszenarien

Ein zweites Szenario in der Studie lautet: Coachs werden bei der Entwicklung neuer Arbeitsformen (Stichwort: New Work) stärker eingesetzt, um zum Beispiel einzelne Mitarbeiter oder ganze Teams zu begleiten. So werden sie stärker zu Beratern der Organisation, Personal- und Organisationsentwicklung verschmelzen.

Szenario Nr. 3: Der Markt wird sich splitten: Auf der einen Seite Online-Coaching für die Masse und auf der anderen das Highend-Produkt „Face-to-Face“-Coaching. Womit vermutlich auch einhergehen wird, dass Coaching aus der Geschäftswelt in den privaten Bereich vordringt, was wiederum die Frage nach der Abgrenzung zur Therapie neu aufwerfen wird.

Und schließlich prognostizieren die Fachleute, dass sich in Sachen Ausbildung von Coachs etwas verändern wird: Die Universitäten werden Master-Studiengänge mit einem Coaching-Abschluss anbieten. Konkurrenz für die zahlreichen Ausbildungsanbieter. Ein Gedanke, der mir dabei sofort kam: Hochschulabsolventen, die nach ihrem Masterstudium als Coach aktiv werden ohne die entsprechende Berufserfahrung? Andererseits: In jedem Beruf erwirbt man Berufserfahrung durch Ausübung des selbigen, also warum nicht auch als Coach …

Monopol durch Coaching-Plattformen?

Ganz spannend schließlich die Diskussion über die Rolle von Coachingplattformen. Hier findet sich in der Ausgabe der Wirtschaftspsychologie aktuell ein interessantes Panel-Gespräch mit einer bunten Mischung aus Betroffenen (Vertreterin einer Plattform, eines Ausbildungsinstituts, eines Coaching-Verbandes, eines Unternehmens und eine Berufsanfängerin), und die meisten sehen die Sache mit den Plattformen als Vermittler von Coachingleistungen kritisch („Geht Coaching online?“).

Klar, dass die Plattform-Vertreterin die Einwände nicht gelten lässt. Alle haben nur Vorteile und sind glücklich: Die Unternehmen, weil sie keinen Coach-Pool mehr vorhalten und pflegen müssen. Die Coachees, weil sie die Wahl zwischen vielen Coachs haben und dank Matching meist den passenden finden. Die Coachs, weil die Plattform ihnen die Akquise abnimmt. Und die Investoren, die Millionen in die Plattformen stecken und irgendwann Kasse machen können.

Bedenken

Die Bedenken sind auch nachvollziehbar: Wie sieht das in Sachen Datenschutz aus? Werden die Plattformen am Ende das große Geschäft mit Daten machen wie das in anderen Branchen passiert (Stichwort: Amazon)? Werden Coachs dann mit Sternchen bewertet und müsse Fake-Bewertungen einkaufen, um gut dazustehen? Wird die Konkurrenz der Plattformen am Ende die Preise drücken, was dann sicher nicht die Plattformen bezahlen, sondern die Coachs, was dann zu Abstrichen bei der Qualität führen wird?

Man wird schauen, wer am Ende als Verlierer da steht. Ich denke, dass Plattformbetreiber hier das leisten, was Berufsverbände längst hätten organisieren sollen, aber die sind zersplittert und werden wohl noch mehr an Einfluss verlieren. Warum sollte ein Coach Mitglied in einem Verband sein, wenn er seine Aufträge über die Plattform bekommt und sich dort keiner für ein Zertifikat interessiert?

Die wirkliche Gefahr geht von einem möglichen Monopol aus: Wenn am Ende alle bei einer Plattform „einkaufen“ wie bei Amazon, und diese den Markt beherrscht. Der Traum jedes Plattformbetreibers, der am Ende auf die Rendite schaut. Da klingt es schon sehr witzig, wenn die Vertreterin der Plattform von „familiärer Zusammenarbeit“ spricht und von einer Community, die man aufbauen will. Warum sollten Coachs, die auf einer Plattform gegeneinander um die Kunden konkurrieren, sich über Best Practices in Sachen „Digitales Coaching“ austauschen?

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