7. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Emotionale Kompetenz trainieren

REZENSION: Karolina Friese / Daniela Botz – Körperorientierte Emotionsregulation. Kompetenz!Box Therapie und Beratung. Junfermann 2024.

Ein großes Thema im Coaching. Auch wenn es nicht so oft im ersten Atemzug genannt wird. Doch eine gute Emotionsregulation ist für Mitarbeitende wie Führungskräfte gleichermaßen eine wichtige persönliche Kompetenz. Seitdem es fundierte Erkenntnisse zum Thema Emotionen gibt (Neurowissenschaftliche Fundierung von Coaching), kommt das Thema zusehends in den Blick. Wenn auch gar manche immer noch einen Heidenrespekt vor Emotionen haben und Kontrollverlust fürchten; und daher lieber schnell an Psychotherapeut:innen verweisen. Andere, die da weniger zimperlich sind, operieren oft mit einer hobbypsychologischen Unbedarftheit am „offenen Herzen“ ihrer Kundschaft herum; was nicht selten Klient:innen erst richtig in die Krise bringen kann. Beides muss nicht sein, wenn sich die Coaches gut ausbilden lassen.


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Ausbildung, Selbsterfahrung und Supervision kann kein Buch, auch kein multimediales Werk ersetzen. Aber es kann dazu eine gute Ergänzung darstellen. So auch diese „Kompetenz!Box“: Ein physischer Karteikasten im DIN-A-5-Format (ca. 250 S.; Vor- & Rückseite sowie Registerkarten) plus Begleitheft (50 S.), was gleichsam digital (pdf) zur Verfügung steht. Zusätzlich wird das Werk um Online-Materialien (52 Stk.) erweitert.

Emotionen und Körperorientierung

Dass das Thema Emotionen mit Körperorientierung verbunden wird, ist mehr als sinnvoll, weil anders gar nicht vorstellbar. Und auch hier gibt es beispielsweise mit dem Konzept Embodiment (Die Rückkehr der Gefühle), das auch ein zentrales Thema des Zürcher Ressourcenmodells (Ganzheitliches Selbstmanagement) darstellt, schon bekannte, praktische Anknüpfungspunkte. Wobei die Autorinnen als Psychologische Psychotherapeutinnen diese Themen nur streifen und breiter aufgestellt sind. Sie beziehen sich neben der Kognitiven Verhaltenstherapie auf die Körperpsycho- und Hypnotherapie, auf Achtsamkeit, Focusing und Yoga. Letzteres merkt man daran, dass sie auch Yoga-Übungen einbauen.

Die Box ist für Professionelle gedacht, für Psychotherapeut:innen, aber auch für Coaches und Berater, und gliedert sich – nach einer Einleitung – in sechs Kapitel. Zunächst (Kapitel 1) geht es um Psychoedukation. Hier sind etliche Wissensbausteine verfügbar zu Themen wie Psychosoziale Stressreaktion, achtsame Körperwahrnehmung, Resilienz als emotionale Flexibilität, Psychologische Grundbedürfnisse, Basisemotionen – man kann aber auch einiges über die Rolle der Wirkung des Lichts auf den Körper sowie die Rolle von Darm und Schilddrüse erfahren.

Aufbau und Gliederung der Box

Immer – also auch in den anderen Kapiteln – ist es so, dass die Vorderseite der ca. 20 Karten ein Foto ziert, das das Thema illustriert. Auf der Rückseite findet sich ein Erklärtext, der das Ziel beschreibt (z.B.: „Psychologische Grundbedürfnisse als Ursache für Stress oder Sicherheitserleben erkennen“) sowie die Funktion (in diesem Fall: Das Verbalisieren und das Erleben der psychologischen Grundbedürfnisse nach Klaus Grawe ermöglichen den Klient:innen eine verbesserte Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse). Eine Anleitung führt dann ins Thema tiefer ein. Ein abschließender Hinweis verweist quer auf andere Karten. Und öfters erscheint ein QR-Code, mit dem man gleich auf weiterführende Online-Zusatzmaterialien gelangen kann. Dabei handelt es sich um Handouts, Videos oder Audios (gesprochene Trancen – nebst Transkripten). Das ist gut durchdacht. Nur die Organisation der Onlinematerialien lässt zu wünschen übrig. Diese sind nicht am Stück downloadbar und ihr Titel ist nicht benutzerfreundlich editiert, so dass man das als User selbst nachholen muss, um nicht die Übersicht zu verlieren.

In Kapitel 2 sind verschiedene körperbezogene Achtsamkeitsübungen versammelt. Sie sollen den Klient:innen dabei helfen, den Zusammenhang von Körper und psychischem Wohlbefinden zu verstehen und zu erleben. Interozeption, Achtsamkeit und Akzeptanz sind hier die zentralen Aspekte. In Kapitel 3 geht es um Modelle und Übungen zur sympathischen Erregung und Übererregung. Wut aktiv zu regulieren und konstruktiv nutzen zu können, ist die nützliche Kompetenz, die hier trainiert werden kann. Um Untererregung und Erstarrung geht es hingegen bei den Übungen in Kapitel 4. Angst und Depression sollen verringert und Vitalität und Lebenslust durch verschiedene Impulse gezielt gefördert werden. Sicherheit und Ruhe ist der Titel des 5. Kapitels. Die Interventionen kreisen hier um die Ressourcenaktivierung auf Körperebene. Es soll durch Atmung und Entspannung die Selbstwirksamkeit wachsen. Das letzte, 6. Kapitel bietet weitere Anregungen und körperorientierte Übungen unter der Überschrift „Selbstfürsorge“.

Das Booklet

Das Begleitbuch zur Box fokussiert zunächst auf den Aufbau und die Beschreibung der Funktionalität der Karten. Im Anschluss werden in einem Leitfaden (Kapitel 2) einige neuropsychologischen Grundlagen referiert sowie die körperorientierte Selbstregulation „als eine wichtige Vorbereitung für nachfolgende, hochkomplexe kognitive Arbeit“ definiert. Es folgen Grundlagen zu Anleitungen von Tranceinduktionen, Entspannungseinheiten, Atemtechniken und Körperbewusstsein sowie zum Schluss Transferhinweise – die, weil völlig unzureichend – enttäuschen. Im Kapitel 3, Therapeutische Haltung, steht stark die Methode Focusing im Vordergrund. Sowie die praktische (und spannende) Möglichkeit, über „Titrieren und Pendeln“ das Erleben von Emotionen zu verändern – das eigene emotionale Toleranzfenster zu vergrößern. – Das ist sehr spannend, weil auch bei Ryba & Roth (Neurowissenschaftliche Fundierung von Coaching) beschrieben. Wobei es auch weitere konkrete Settings der Emotionsveränderung gibt (Embodiment und Emotionen), die hier nicht genannt werden. – Das vierte Kapitel beschäftigt sich kurz mit Psychophysiologie und den drei psychovegetativen Modi (fright, flight, fight). Kapitel 5 gibt einen kurzen Einblick in die Historie der Körperpsychotherapie.

Fazit

Bei aller Akribie und Ausführlichkeit, die ich gerne anerkenne, fehlt mir doch etwas Wesentliches: Die Strategie. Als Anwender wird mir zwar reichlich Material an die Hand gegeben und auch hilfreiche methodische Hinweise, ich erfahre aber nicht, wie ich konkret mit der Box arbeiten soll. Wo soll ich bei 125 Text-Karten-Seiten plus 50 Seiten „Bonus-Material“ anfangen? Ich könnte versucht sein, die Karten schlicht abzuarbeiten. Das wäre sehr mühsam und zeitaufwendig. Vermutlich verlässt mich da schnell die Motivation. Ich könnte auch selektiv vorgehen, und beim Durchblättern bei ins Auge springenden Aspekten verweilen. So könnte ich – für mich oder Klienten – spannende Aspekte und Übungen finden, bspw. wie ich den „Muskel der Seele“ (Psoas) entspannen kann. Doch wäre das sinnvoll, so willkürlich vorzugehen?

An anderer Stelle (Systemisches Coaching) warne ich ausdrücklich vor einer Baumarktmentalität und der „fröhlichen“ Toolklempnerei. Schon Paul Watzlawick soll gesagt haben: „Wessen einziges Instrument ein Hammer ist, der findet auf der ganzen Welt bloß Nägel“. Profis sollten daher andersherum starten: Bei der Strategie (Ziel). Dann werden Hypothesen entwickelt und im dritten Schritt erst kommen wir zur Auswahl konkreter Methoden. Der Plural impliziert, dass es bei der Methodenauswahl auch immer Alternativen geben kann/sollte (Plan B).

Verbesserungsvorschläge

Konkret: Die Autorinnen hätten mir als Anwender einige Use Cases präsentieren können, anhand derer mir diese Auswahlprozesse plausibilisiert worden wäre. Diese Use Cases wären „kleine Programme“ (oder Journeys) mit vielleicht maximal fünf Methoden. Und eben nicht eine Liste von 24 Übungen (Kapitel 3: Erregung und Übererregung), die ich in einer (zufälligen? gleichgültigen?) Reihenfolge in der Box vorfinde.

Ohne eine solche Orientierung fühle ich mich leicht überfordert. Und ich denke, den meisten Coaches wird es ebenso gehen. Selbst bei den psychotherapeutischen Kolleg:innen wäre ich mir nicht so sicher. Auch eine ICD-Ziffer dürfte bei der Orientierung nicht in nennenswerter Weise weiterhelfen. – Aber die gute Nachricht ist: Die Defizite lassen sich beheben. In der zweiten Auflage – oder zügig auf der Online-Zusatzmaterialienseite.

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