15. August 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Das – vermeintliche – Oma-Blatt

Das – vermeintliche – Oma-Blatt

KRITIK: Ein bisschen altbacken und banal? Da kommen doch tatsächlich zwei Autoren daher, und predigen uns Management à la Oma! Na, das ist doch einmal eine Story: eine lehrreiche allemal. Nach Agilität etc. – back to the roots?

„Was ist, wenn in Omas Stube mehr strategische Weisheit lag, als in so mancher modernen Case Study?“ Das fragen sich die Autoren (Der Oma-Code). Zum Beispiel: Tugenden! Wie altbacken ist das denn? Völlig situationsunabhängig: Liebe, Geduld, Fleiß, Pflichterfüllung, Bescheidenheit. Da grinst der Yuppie – oder ist diese Spezies seit den 1980er-Jahren nicht längst ausgestorben? „Omi mochte zwar keine MBA-Urkunde an der Wand hängen haben, dafür aber hatte sie eine klare Haltung – bodenständig, geerdet, lebenserfahren.“


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Also Leute, so das naheliegende Fazit: Vergesst das Studium – Dilettieren geht vor Studieren! „Gesunder Menschverstand“ zählt. Was auch immer das sein mag. Stereotype, Vorurteile, Hörensagen … Nichts Evidenzbasiertes auf jeden Fall, eher das Gegenteil von: kranker Menschenverstand? Und was ist krank? Na ja, das ist das, was all die auszeichnet, die anders denken als ich: Komplizierter, differenzierter als ich. Korinthenkacker halt. Schlauberger, Studierte, die nur rumlabern, aber nicht richtig arbeiten.

Gesunder Menschverstand

Ok, ich atme mal durch … Doch die geneigte Leserschaft wird kaum umhin können zu bemerken, dass ich so meine Schwierigkeiten mit dem Begriff „Gesunder Menschverstand“ habe. Er erinnert mich schlicht an dunkle Zeiten vor 90 Jahren. Er wurde als Kampfbegriff benutzt, alles platt zu machen, was der herrschenden Meinung widersprach; oder sie bloß zu kritisieren wagte. Solches kann man auch heute wieder beobachten: In Russland, in den USA und anderswo. Unser Autoren-Duo präsentiert fünf Oma-Regeln:

  1. Auf Regen folgt immer Sonnenschein: Optimismus hilft. Das soll auch die moderne Psychologie sagen.
  2. Schuster bleib bei deinem Leisten: „Menschen sind dann am besten, wenn sie in ihren Stärken sind.“
  3. Es ist völlig egal, wer vor dir steht, wenn du weißt, wer hinter dir steht: Wir-Gefühl und direkter Austausch zählen.
  4. Mit dem Reden macht man’s aus: Klare Kommunikation macht den Unterschied.
  5. Anstrengungen machen gesund und stark: Fleiß und Disziplin zählen.

Eine tiefe Sehnsucht nach Simplem

Ich widerstehe dem Gedanken, solche Sprüche gleich in die Tonne zu hauen. Und frage mich stattdessen: Ist es jetzt wieder opportun, solche dummen Parolen zu verbreiten? Und warum erscheint ein solcher Beitrag in managerSeminare? Gibt es eine tiefe Sehnsucht im Publikum, Fünfe gerade sein zu lassen? Komplexität zu reduzieren? Und sei’s mit dem Vorschlaghammer (oder: Kettensäge)?

So ist heute der Ruf nach Bürokratieabbau unüberhörbar. Als ob Bürokratie „an und für sich“ schlecht sei. Ist sie aber doch nicht. Sie hat Vor- und Nachteile. Und ehrlich gesagt, auf viele Vorteile (Regelhaftigkeit, Gesetzestreue) will – nicht nur ich (Aktuelle Mythen im Faktencheck) – nicht verzichten. Und was die Nachteile betrifft, klar, dazu hätte ich auch ein paar Ideen. Aber: Kettensäge (Päpstlicher als der Papst)? Auf keinen Fall.

Und so warnte schon Jacob Burckhardt (1818-97) vor den „terribles simplificateurs“, den furchtbaren Vereinfachern. Und die moderne Systemtheorie weiß, wer Komplexität vereinfachen will, erhöht sie (Ashby’s Law). Marc Bolan, frühverstorbener Glamrocksänger und Bandleader von T. Rex, textete: „You won’t fool the children of the revolution.“ Also werde ich mal konkret und argumentiere, was ich an den Oma-Regeln auszusetzen habe:

Omg! – OMA

Die Sprüche sind einfach platt. „Auf Regen folgt immer Sonnenschein“. Alter Schwede, hast Du denn nie den Albert-Hammond-Song gehört: It Never Rains in Southern California? Und „Schuster bleib bei deinem Leisten“: Wo kämen wir denn hin, wenn wir nur bei Omas Rezepten blieben? (Meine Oma kochte Gemüse zwei Stunden lang kaputt). Ich kürze das einmal ab: Diese Sprüche haben das Niveau von Horoskopen oder Future Telling Cookies: Mittleres Abstraktionsniveau, kontextlos, offen für alle möglichen Projektionen. Wortgeklingel halt: Sind wir nicht alle ein bisschen bluna?

Und jetzt gehen wir mal ein wenig auf die Metaebene: Was lehren uns die Oma-Regeln über Managementmoden? Alles Quatsch? Oma hebelt alle aus: „Auf Regen folgt immer Sonnenschein“? Vergiss Agilität, komm zu Oma! Du brauchst auch keine Forschung, keine empirische Evidenz – Kaffee und Kuchen, Wir-Gefühl, auch wenn es in Group-Think umkippt – reichen doch, um es sich bei Oma gemütlich zu machen.

Meta-Oma

Aber wieso Oma? Warum nicht Opa? Warum nicht „die alten Griechen, Chinesen, Voodoo-Priester“? Das ist wie mit der unsäglichen Parole „Führungskraft als Coach“ (Haarspaltereien?): Da könnte man ja auch mal fragen, warum nicht „Führungskraft als Klempner, als Elektriker, als Metzger …“? Oma ist ein Popanz. Oma kann sich nicht wehren. Fühlt sich da etwa irgendjemand persönlich angesprochen? Natürlich nicht, muss man ja noch sagen dürfen … Dass uns da jemand – Quatsch mit Soße – einlullen will: „Was ist, wenn in Omas Stube mehr strategische Weisheit lag, als in so mancher modernen Case Study?“ Und was, wenn da nichts lag außer einem Märchenbuch?

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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