7. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Der Algorithmus, wo jeder mit muss …

KRITIK: Zu den Errungenschaften der Social-Media-Ära gehören die Influencer. Wie blass wäre unser aller Leben ohne sie! Sie sind die Stars, denen die gigantische Aufmerksamkeit gilt. Daher sind sie auch für Unternehmen sehr wichtig.

Na ja, Stars gab es schon früher – zu Zeiten von Kino und TV. Und in der Werbung. Da wurden sie Testimonials genannt. Weil als sie Vorbilder fürs Publikum wirkten. „Ich will auch haben, was der hat!“ Lernen am Modell. Ziemlich gut erforscht. Doch nachdem der Journalismus vom Internet und dann von Social-Media entmachten wurde, fielen die Schranken. Die der sogenannten Gate Keeper, die darüber entscheiden, wer es in die Öffentlichkeit schafft. Heute kann sich auch Maxi Musterfrau ins Rampenlicht drängeln – ohne vorheriges Casting durch Experten.

Manche nennen diese Entwicklung Demokratisierung. Ich meine, dieser Begriff führt in die Irre. Ich würde es eher Liberalisierung nennen. Doch das Casting ist nicht verschwunden. Es hat sich nur die Tarnkappe aufgesetzt. Heidi Klum und Dieter Bohlen jedenfalls sind es nicht mehr. Das Casting hat sich in irgendwelchen Algorithmen versteckt, die manche vorgeben zu kennen. Klar ist jedenfalls, wer viele Follower hat, der gilt als wichtig, dem wird vertraut.

Den Corporate Brand pflegen

Irgendwann hat es auch bei den HR-lern geschnackelt (Die Influencer kommen): Es gilt, den Employer Brand zu pflegen. Wie könnte man das heute besser als über Social Media? Zudem pressiert es: Fachkräftemangel. Also rein ins SM-Vergnügen als Gallionsfigur des Unternehmens. Und da schau an, die HR-Köpfe bringen es auf Follower-Zahlen von 30-50.000. Getoppt wird das nur von Cawa Younosi, dem ehemaligen HR-Chef von SAP. Der bringt es auf über 100.000 Follower. Doch wurde er vor einigen Wochen unter – bis heute ungeklärten Umständen – aus dem Unternehmen entlassen.

Das personalmagazin (Mehr Glanz als Substanz) wartet nun mit einer dreigliedrigen Hitparade auf:

  • Corporate Influencer: Sie setzen „Themen und Impulse, repräsentieren ihre Arbeitgeber(marken) und versuchen sich am Spagat zwischen eigener Profilbildung und Unternehmens-PR.“
  • Editor’s Choice: „Die Auswahl der Redaktion jenseits von Followerzahlen.“
  • Topstars:Sie spielen in einer eigenen Liga.“ Influencing als genuines Geschäftsmodell.

Ok, Hitparade ist ein Babyboomer-Begriff … Gibt es das heute noch? Vermutlich nicht, weil durch Spotify & Co. das Thema pulverisiert wurde. In individuelle Playlists – und den Algorithmus (den kennt aber niemand, der ruht im Safe der Tech-Corps). Na ja, jedenfalls wurde die Auswahl aus einer Liste mit mehr als 200 Personen aus dem deutschsprachigen Raum durch die Redaktion getroffen. Dabei lag der Fokus auf LinkedIn. X (vormals Twitter), Instagram und Tiktok wurden – mangels Relevanz – als Referenzen herausgehalten.

Neben den Personalchefs in der ersten Kategorie, die in der Regel pro domo sprechen, und den geschäftsmäßigen Influencern, denen es vor allem um ihr eigenes Geschäft geht, finde ich die Rubrik Editor’s Choice die spannendste. Und wen finden wir da unter anderen? Klaus Eidenschink (Die Kunst des Konflikts), Hans Rusinek (Neuer Arbeitsethos) und Carsten Schermuly (Mit Empowerment zu New Work). Well done!

Influencing – der Mehrwert

Der Unterschied zu früher, zum reinen Starsystem, das muss der Babyboomer mal anerkennen, liegt in der Interaktivität. Die Stars werden nicht nur angehimmelt. Man kann mit ihnen in Kontakt treten. Man kann sie liken, oder sogar ihre Postings kommentieren. Und das macht was. Auch wenn der Star es gar nicht im Einzelnen mitbekommen mag, was ich (!) in Reaktion auf ihn gerade gemacht habe. Vielleicht bekommt es sein Social-Media-Team mit. Ja, hallo, wer will schon allen seinen 100.000 Followern persönlich antworten? Wer es auf jeden Fall mitbekommt, ist der Algorithmus. Und der macht irgendetwas damit. Was auch immer. Und weil das keiner so richtig weiß, baggern sie alle wie blöde. Was diesen – oder besser gesagt: seine Mütter und Väter – vermutlich freut.

Also baggern wir alle … Willkommen im Rattenrennen! Und da nun sowieso schon alle Hüllen gefallen sind, wir also alle nur an das eine denken, berühmt, reich und wichtig zu sein, können wir auch gleich mal Tacheles reden: Die CHRO baggert. Oder sie lässt baggern. Von einem Team. Oder gleich von extern, kauft sich am besten die „Topstars“ ein. Der Auftrag: Sag den Leuten, dass wir supergut sind! Dass wir voll der Employer-Brand sind. Dass wir nachhaltig sind. Und überhaupt …

Omg!

Ist das nicht eigentlich peinlich? Na ja, würden jene mir vermutlich antworten: Klappern gehört halt zum Geschäft. Doch jetzt kommt noch eine Volte mehr hinzu: Stachele deine Mitarbeitenden auf, als Corporate Influencer tätig zu werden! Weil, ist doch klar, der PR-Abteilung glaubt doch eh niemand mehr („Influencer wirken vertrauenswürdig“). Aber den Mitarbeitenden … sozusagen: Voice from the bottom … Das hat doch was! Und damit sie keinen Mist bauen, die Mitarbeitenden, müssen sie natürlich entsprechend eingenordet, sprich: geschult, werden (Mitarbeitende als Influencer). Ich fasse es nicht! Wie platt und ungeniert instrumentalistisch das hier mal eben abgespult wird … Das Thema habe ich schon wesentlich differenzierter und reflektierter gelesen (Zweitjob: Corporate Influencer).

Was jetzt nur noch fehlt zum Glück? Na, ist doch klar: KI! Offensichtlich arbeitet im Maschinenraum so mancher Influencer schon ein Bot. Was sagt die professorale Medienwissenschaftlerin („Influencer wirken vertrauenswürdig“) zu dieser Aufrüstung? „Da muss man immer aufpassen, dass man die Glaubwürdigkeit bewahrt. Die Wettbewerber beobachten das sehr genau.“ Mag sein, da man Fake aber nicht wirklich nachprüfen kann, bleibt man auf Vermutungen angewiesen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann dampfplaudern sie auch morgen noch …

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