KRITIK: Das ist schon erschütternd, wie viel heiße Luft in Sachen Agilität verbreitet wird. Vor allem wird mehr und mehr deutlich, dass kaum etwas davon wirklich neu ist. Und dennoch – das eine oder andere Körnchen „Nützliches“ findet sich zwischen den Zeilen.
Erschüttert bin ich nach der Lektüre zweier Interviews in der PERSONALquarterly, einmal mit dem Bosch-Manager Uwe Raschke (Bosch baut um) und dem Chief Learning Officer von Daimler, Oliver Fischer (Leadership 2020). Beide werfen mit vielen modischen Begriffen um sich, es geht um Teameffizienz, Transparenz, Verantwortung, um Transformation der Führungskultur und um „strategische Agilität“. Gefragt nach den konkreten Auswirkungen des Wandels bei ihnen persönlich wird es sehr dünn. Der eine versucht, „viel Zeit mit der Weitergabe von Kontext an Mitarbeiter zu verbringen„, konkreter wird es nicht. Der andere geht auf die Frage erst gar nicht ein. Das lässt tief blicken.
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Auch was in Sachen Forschung über Agiltität geboten wird, ist zutieftst deprimierend. Da werden diese Thesen überprüft: Je mehr agile Managementpraktiken und agile Tools eingesetzt werden, desto höher schätzen die Betroffenen den Agilitätsgrad des Unternehmens ein. Und siehe da: So ist es. (Agile Unternehmensführung).
Etwas mehr kann ich mit dem Versuch anfangen, den Begriff Agilität zu konkretisieren. Die folgenden Merkmale scheinen mir relativ vollständig und fast so etwas wie eine kleine Checkliste, mit der Sie überprüfen können, wie es denn mit der Agilität Ihrer Organisation bestellt ist (Agile Führung als Antwort auf eine VUCA-Umwelt). Agile Managementpraktiken haben demnach folgende Gemeinsamkeiten:
- Ausgangspunkt ist das tatsächliche Kundenbedürfnis.
- Das Ziel sind funktionierende, vom Kunden angenommene Lösungen.
- Schnelle Anpassung, reaktiv als auch proaktiv, ist die Schlüsselkompetenz.
- Selbstständige, eigenverantwortliche und crossfunktionale Teams sind die Basis der Organisation.
- Die Vorgehenslogik ist das wiederholte (iterative) Testen und das daraus resultierende Lernen.
- Typische Prozessbestandteile sind Sprints, Prototyping, Visualisierung, Experimente und damit der Mut zu Fehlern, frühes und regelmäßiges Feedback und regelmäßige Reviews (lernende Organisation)
- Führung ist gekennzeichnet durch Beteiligung, Vernetzung, Offenheit (Transparenz) und Vertrauen.
Damit können Sie schön überprüfen, wie es mit der Agilität bei Ihnen bestellt ist. Bleiben noch seltsame Blüten, die zeigen, wie flexibel Menschen sind und schon immer waren. Was macht eine Führungskraft, die selbstverantwortliche Teams führt, aber regelmäßige Mitarbeitergespräche führen und individuelle Ziele vereinbaren muss, weil die HR-Instrumente nun mal so sind, wie sie sind?
Sie trickst das System aus, indem sie einfach mit jedem Mitarbeiter das gleiche Ziel vereinbart und somit das Teamziel durch die Hintertür einführt (Agilität in Organisationen). Habe ich auch schon selbst gemacht.
Der Weg zur Organisation der Zukunft ist noch weit.