10. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Zwei Prinzipien

INSPIRATION: Über Morning Star, einen Hersteller von Tomaten-Produkten in den USA, haben wir schon viel gelesen, und zwar lange, bevor der Hype mit der  Agilität und der Selbstorganisation begann. In einem Interview beschreibt ein Manager, wie es dazu kam und was passierte, als das Unternehmen wuchs („Komplexität durch Schlichtheit managen“).

Im Grunde sind ja das genau die Fragen, die viele Organisationsentwickler beschäftigen. Es scheint durchaus machbar zu sein, wenn Gründer ihr Start-up nach den Prinzipien der Selbstorganisation führen – und selbst das dürfte alles andere als einfach sein. Was aber, wenn das Unternehmen wächst und mit dem Wachstum die Prozesse komplexer und komplizierter werden? Da stößt die Selbstorganisation dann offenbar an ihre Grenzen, und nicht selten wird dann der Ruf nach der klassischen Hierarchie laut (Stark durchgesteuert).


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Eine mindestens ebenso große Herausforderung wartet, wenn man aus einer traditionell hierarchischen Organisation in einer hierarchie-freie oder zumindest -arme Struktur wechseln möchte. Bei Morning Star gab es offenbar zwei der beschriebenen Verläufe. Man begann als typische Pyramide mit dem Unternehmer als Chef an der Spitze. Dieser stellte dann irgendwann fest, dass alle Probleme am Ende immer bei ihm landeten, die Pyramide somit also überhaupt keinen Mehrwert schuf.

Lediglich 2 Sätze

Dann entschied er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt, denn damals gab es offenbar noch keine großen Erfahrungen mit sich selbst steuernden Teams. Man diskutierte die Alternativen zur Hierarchie und entwickelte die „Morning Star Team Principles“, die aus lediglich zwei Sätzen bestanden:

  • „Menschen sollten nicht dazu gezwungen werden, andere zu etwas zu nötigen.“
  • „Die Mitarbeiter sollten ihren Verpflichtungen nachkommen und tun, was sie ankündigen zu tun.“

Das soll reichen? Tat es offenbar. Ab dem Moment konnte keiner mehr einem vorschreiben, was er zu tun hatte. Man konnte sich gegenseitig nur um etwas bitten.  Zusätzlich gab es wohl einen beschriebenen Prozess zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten.

Der Mann der ersten Stunde und heutige Leiter des Morning Star Self-Management Institutes, Doug Kirkpatrick, behauptet, dass sich zuerst einmal gar nichts verändert hat. Sechs Jahre lange hätte man mit diesen beiden Prinzipien gearbeitet, ohne irgendein anderes System. Vorstellbar?

CLOU

Erst als man eine zweite Fabrik baute, wurde die Koordination und Kommunikation schwieriger. Jetzt brauchte man offenbar weitere Spielregeln und „Eingriffe“. Eines war der CLOU, der Colleague Letter of Understanding. Hier wurde für jeden Mitarbeiter festgehalten, warum er jeden Tag zur Arbeit kommt – sein persönliches „Warum“, und wie das zu den Prinzipien passt. Außerdem wurde fixiert, für welche Prozesse jeder verantwortlich ist, das „Was“. Dazu gehören auch die jeweiligen Entscheidungsbefugnisse.

Und offenbar gibt es auch Kennzahlen, betriebswirtschaftliche Größen, die transparent sind und die dafür sorgen, dass alle versuchen, diese Zahlen immer weiter zu verbessern. Nicht im Sinne von Zielvereinbarungen, sondern als Orientierung, wo man steht. Und man hat wohl auch Untereinheiten geschaffen, die mit eigener Gewinn- und Verlustrechnung arbeiten.

Soll heißen: Auch Morning Star hat ein Problem bekommen bei der Selbstorganisation, als man wuchs. Dem begegnete man dadurch, dass die Aufgaben jedes einzelnen konkreter definiert wurden und dass man selbstständig agierende Unternehmensbereiche schuf.

Interessant: Kirkpatrick beobachtet, dass sich viele Unternehmen, die sich mit Selbstorganisation beschäftigen, auf Tools und Systeme stürzen. Entscheidend aber sei, dass man sich zuerst über die Grundprinzipien klar wird und was sie für die Beteiligten bedeuten. Erst danach geht es um Verfahren, mit denen man experimentiert und schaut, wie sie funktionieren. Um sie bei Bedarf wieder zu verwerfen und neue auszuprobieren.

Ich kann dem gut folgen. Im gleichen Heft ist von einem Netzwerk „Konzernaustausch Selbstorganisation“ die Rede, Dort haben sich Teilnehmer aus 65 Unternehmen vernetzt und über Kernfragen diskutiert. Eine Erkenntnis: Es gibt nicht den einen Weg, auch hier ist von „konsequentem Ausprobieren“ die Rede. Und auch hier steht ein interessanter Satz: Die Führungskraft, die Selbstorganisation einführen will, soll sich ihrer Motive bewusst sein und diese offen und konsistent vertreten (Machbar und sinnvoll?). Das gilt sicher auch für das Management, das Selbstorganisation von oben anordnet. Ein spannendes Thema, mit dem ich mich in einem Video näher beschäftigt habe.

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