23. Januar 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Dishonesty Shift

INSPIRATION: Die großen Skandale in Unternehmen werfen Fragen auf, zum Beispiel die, warum Menschen in Organisationen überhaupt gegen den Wert Ehrlichkeit verstoßen. Eine Hypothese: In Gruppen lügt es sich leichter. Ein Experiment zeigt dies eindrucksvoll. Wissenschaftler an der Universität München haben mit 273 Teilnehmern einen sehr einfachen Versuch durchgeführt. (Ein Lügner kommt selten allein)

Die Aufgabe lautet, sich in einem Video gewürfelte Zahlen zu merken und später wiederzugeben. Dabei gab es Geld für die genannten Punktzahlen (bei einer 1 einen Euro, einer 2 zwei Euro usw. außer bei einer 6). Die Teilnehmer saßen allein vor dem Bildschirm und mussten bei der Nennung falscher Zahlen keine Konsequenzen fürchten.

Sie ahnen, was passiert? Natürlich weiß jeder, dass die Ergebnisse geprüft werden und „Betrug“ auffällt. Andererseits: Was kann ich dafür, wenn ich mich vertue und hin und wieder mal 5 statt 3 sage? Habe ich mich eben geirrt. Kann passieren.

Nun wurden drei Gruppen gebildet. In der ersten entschied jeder Teilnehmer in Unkenntnis der Entscheidungen anderer und ohne sich mit anderen auszutauschen. In der zweiten Gruppe entschied auch jeder allein für sich, konnte sich aber vor der Entscheidung mit zwei anderen Teilnehmern per Chat austauschen. Bei der Entscheidung selbst war die Auszahlung des Betrags unabhängig davon, was die beiden anderen entschieden.

Bei der dritten Gruppen fand auch vor der Entscheidung ein Chat statt, aber hier mussten alle drei die gleichen Zahlen angeben, um den ausgelobten Betrag zu erhalten.

Die letzte Anordnung sollte eine bekannte Hypothese überprüfen. Wenn Menschen beim Lügen erwischt werden, dann behaupten sie gerne, sie hätten es ja für die anderen getan. Genau das passiert bei der dritten Anordnung: Wenn sich alle drei einig sind, dann können sie nachher sagen, sie hätten zum Wohle der anderen geschummelt.

Das Resultat: Bei Gruppe 1 schummeln 61,5%, bei Gruppe 2 86,3% und bei Gruppe 3 89,7%. Der Austausch untereinander erhöht die Bereitschaft zum Lügen also deutlich, wobei es keinen Unterschied macht, ob die „Mit-Täter“ profitieren oder nicht. Es ist allein der Austausch, der zur Verletzug der Norm verleitet, auch „Dishonsty Shift“ genannt. Aber wieso?

Dazu hat man die Äußerungen in den Chats untersucht, und zwar von Mitarbeitern, die nichts über den Zweck der Studie wussten. Dabei stellten sie fest, dass viel häufiger unredliche Argumente genannt wurden, nämlich 43,4% gegenüber 15,6% Argumenten, die sich für ein ehrliches Vorgehen aussprachen. Schon erstaunlich, oder? Wohl wissend, dass Chats protokolliert werden können, wird offen über unehrliches Verhalten diskutiert.

Auch die Art der „Schummelargumente“ ist spannend. Es gab drei Sorten:

  1. Das „Geld-Argument“: So können wir mehr Geld verdienen.
  2. Das „Norm-Argument“: Warum sollten wir ehrlich sein?
  3. Die Ausrede: Das hatte ich falsch verstanden.

Wer sich für das Angeben der richtigen Zahl aussprach, verwies öfter auf den Wert „Ehrlichkeit“, und das kam am häufigsten in der Gruppe vor, in der man nachher für sich allein entschied. Nach dem Motto: Lasst uns doch alle ehrlich sein. Wo das stärker betont wurde, reduzierte es auch das Schummeln.

Auch spannend: Wenn in einer Gruppe beim ersten Durchgang alle drei betrogen hatten, dann kamen im Chat nur noch Argumente, die sich auf die finanziellen Vorteile bezogen. Hatten nur einer oder zwei geschummelt, kamen noch vereinzelt Argumente für ehrliches Verhalten. Hatten sich alle ehrlich verhalten, tauchten diese auch häufiger auf.

Große Versuchung

Was sagt uns das? Wenn es um Geld geht, ist die Versuchung groß, sich unethisch zu verhalten. Über die Hälfte der Teilnehmer auch bei Gruppe 1 verhielt sich so, das finde ich schon allein bemerkenswert. Sobald sich Menschen in der Gruppe darüber austauschen, steigt die Gefahr deutlich, ganz gleich, ob es allen zugute kommt oder man nur allein profitiert. Der zugrundeliegende Gedanke lautet wohl dann: „Die anderen werden genauso schummeln, warum sollte ich so blöd sein und mich ehrlich verhalten.“ Entsprechend wird argumentiert und damit diese Haltung noch bekräftigt.

Was wiederum aus einigen, die vielleicht als Individuen noch ethisch saubere Entscheidungen treffen, Mitläufer macht. Verwundert es da, wenn in Organisationen gemeinschaftlich Gaunereien begangen und gerechtfertigt werden?

Was aber auch hilft, sind Menschen, die sich sehr stark für das „korrekte“ Verhalten einsetzen. Ich habe beim berühmten „Prisoners Dilemma“-Spiel ganz oft erlebt, dass jemand, der sich vehement für die Einhaltung der Vereinbarungen eingesetzt hat, durchaus andere bewegen konnte, ihm zu folgen. Allerdings war das umso schwerer, je misstrauischer die Gruppe gegenüber den „Gegnern“ war, meistens setzten sich die Befürworter des „Austricksens“ durch.

Was das für Unternehmen bedeutet, lassen die Autoren der Studie weitestgehend offen. Verhaltenskodizes können helfen, Strafandrohungen und Kontrolle sicher auch in begrenztem Maße. Vermutlich aber am ehesten das Reden über ethisches Verhalten, und das regelmäßig. Denn wenn man dies nicht fördert, setzen sich die Argumente derjenigen durch, die lieber „mal ein Auge zudrücken“.

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