INSPIRATION: Vor zwei Jahren hatte ich den Autor (Welche Zukunft gibt es für das Coaching?) schon einmal zur Zukunft des Coachings befragt (Coaching – quo vadis?). Jetzt kommen konkrete Zahlen aus der damals noch in der Auswertung befindlichen Studie auf den Tisch – und mit ein wenig Abstand betrachtet auch eine konsolidierte Einschätzung. Wo geht die Reise hin – beim und mit dem Coaching?
Die Corona-Krise mit den Lockdowns brachte den Umschwung im Coaching. Waren sich die Senior-Coaches zuvor offenbar zu schade für Online-Coaching oder sorgten sich um den Verlust der Exquisität, war plötzlich alles anders – und es ging online deutlich mehr als man gedacht hatte. Zugleich war man alarmiert, weil inzwischen – kaum bemerkt vom Etablissement – digitale Coaching-Plattformen (DCPs) mit Drive und prall gefülltem Portemonnaie auf dem Markt erschienen, die den Unternehmen sowie den Coaches Full-Service versprachen: Von der Akquise bis zur Evaluation.
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Studie zur Zukunft des Coachings
Genau in dieser Zeit wurde – was für ein Glücksfall! – eine große, mehrstufige Studie zur Zukunft des Coachings durchgeführt. In mehreren Runden wurden 15 Szenarien für das Jahr 2030 entwickelt und von Experten sowie einem erweiterten Publikum bewertet. Die eine Frage lautete: Was wird sein? Die andere: Was ist wünschenswert?
„Sechs der Szenarien haben digitale Inhalte und zeigen hohe Zuwachsraten“, wie beispielsweise KI-Assistenten fürs Coaching, Online-Coaching-Ausbildungen, Coaching in virtuellen Räumen, Coaching-Plattformen. Zugleich werden genau diese Szenarien von den Coaches heute abgelehnt. Die etablierten Coaches wünschen sich ein hochwertiges individualisiertes Angebot im Präsenzmodus. „Damit erwarten die Coaches eine digitale Zukunft, wünschen sich aber die Vergangenheit,“ bringt es Autor Schermuly auf den Punkt und präsentiert dazu auch die empirischen Daten. Im Folgenden fokussiert er auf drei zentrale Aspekte:
- Die Rolle der Verbände, die zerstritten sind und jeweils ihr eigenes Süppchen kochen. Mit neuen Zahlen belegt er, dass inzwischen die Coaching-Plattformen dabei sind, den Verbänden die berühmte „Wurst vom Brot“ zu nehmen und längst marktsteuernd wirken.
- Die Anforderungen an Kompetenzen der Coaches steigen analog zu den Anforderungen, die inzwischen an die Klienten im Arbeitsleben gestellt werden. Die Coaches müssen daher über Design-Kompetenzen verfügen, also flexibel und multimodale Unterstützung anbieten können.
- Die Ausbildung, die in der Vergangenheit maßgeblich von privaten Ausbildungsinstituten angeboten wurde, bekommt massive Konkurrenz von Hochschulen. Neben gediegener Praxiserfahrung wird zudem fundierte theoretische Rahmung unerlässlich sein.
Die Konsequenzen aus der Studie
Was können wir daraus lernen? Leider führt Autor Schermuly die Konsequenzen aus der Studie nicht weiter aus. Ich erlaube mir daher an dieser Stelle einmal stellvertretend laut zu denken:
- Die Misere der Verbände besteht weiter. Doch gar manchen Verein scheint der mangelnde politische Einfluss und die gesellschaftliche Verantwortung auch wenig zu interessieren – wenn man mit der Zertifizierung von Coaches doch Geld verdienen kann, mag das so manchem schlicht reichen. Doch nach zwei Jahren sehen wir auch, dass sich die Landschaft der Digital Coaching Provider (Coaching-Branche: Zur Professionalisierung gezwungen) inzwischen ebenfalls konsolidiert und nicht alles Gold ist, was glänzt. Man wird das weiter beobachten müssen.
- Die Anforderungen an Kompetenzen der Coaches sind hoch und werden es weiter bleiben. Aber vielleicht werden solche Kompetenzen auch nicht von allen Unternehmen gleichermaßen nachgefragt: Die einen wollen nachhaltig etwas verändern. Die anderen glauben weiterhin an die Mähr des Motivationsölwechsels ihrer Mitarbeiter und schicken sie zu willfährigen sogenannten Coaches in die Personalreparaturwerkstatt. Ob diese Strategie in Zeiten des Fachkräftemangels eine zukunftsträchtige ist, wage ich zwar zu bezweifeln. Doch ich weiß auch: Guter Geschmack macht einsam.
- Der Ausbildungsmarkt ist schon lange nicht mehr gespalten. Clevere private Weiterbildner haben sich längst mit Hochschulen und Verbänden zusammengetan. Ein solches hybrides Konzept lässt sich besser vermarkten als der Solitär. Letztlich wird sich zeigen, ob solche Angebote den Markt auch überzeugen können. Die Zertifikatsgläubigkeit ist hierzulande einerseits ausgeprägt. Das Wissen um das „Scheinstudium“ andererseits auch nicht unbekannt. Auch das werden wir weiter beobachten müssen.
Schließlich entwickeln sich digitale Anwendungen stetig weiter. So sehen wir heute schon bemerkenswerte Anwendungsbeispiele im Bereich Chatbots (Chatbots im Coaching). KI läuft sich bereits warm … Vielleicht sprechen wir in zwei Jahren wieder über das Thema. Die Entwicklungsdynamik ist jedenfalls enorm. Bis zum Jahr 2030 werden wir bestimmt nicht warten müssen.