PRAXIS: Glaubt man dem Chef der Kommunikationsplattform Slack, so stehen wir erst am Anfang der elektronischen Kommunikation. Er glaubt, dass es noch hunderte von Jahren dauern kann, bis sich diese voll entfaltet. Mit kritischen E-Mails aber müssen wir heute schon klarkommen. Aber wie?
Stewart Butterfield verkauft Unternehmen Software, über die Mitarbeiter sich unmittelbar austauschen können. So wie auf Whatsapp. Das Besondere daran: Wir können dabei zusehen, wie andere miteinander kommunizieren. Das ist in der Tat etwas völlig Neues, denn dass ein Mitarbeiter der Produktion anwesend ist, während ein Vertriebler mit seinen Kunden „spricht“, dürfte ja eher die Ausnahme sein. Butterfields These lautet: So entsteht Zugehörigkeitsgefühl. Wir haben das Gefühl, Teil der Lösung zu sein, wenn wir mitten im Geschehen sind.
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Nun wissen wir natürlich alle, wie schnell eine solche elektronische Kommunikation aus dem Ruder laufen kann. Sätze, die falsch interpretiert werden oder einen Knopf beim anderen drücken, ohne dass dies die Absicht war. In einem Beitrag über eskalierende E-Mail-Wechsel (Wenn ein E-Mail-Wechsel eskaliert) erklärt ein Sozialwissenschaftler, wie „digitale Bomben“ entstehen. Unter anderem hat er diese „Tretminen“ identifiziert:
- Grenzüberschreitungen: Jemand verkündet eine Entscheidung oder stellt eine Forderung in der Hoffnung, dass der andere diese schluckt, ohne sich zu wehren. Er baut also darauf, dass es zu keiner Gegenwehr kommt, die im Gespräch vermutlich sofort erfolgen würde.
- Konfliktscheu: Wir ärgern uns über etwas, aber meiden es, den Betreffenden direkt anzusprechen. Also laden wir unseren Ärger per Mail ab – was mit Sicherheit zu noch mehr Ärger führt.
- Pamphlete: Lange und detaillierte Ausführungen, ähnlich einem Monolog, bei dem der andere Redeverbot hat, um endlich mal all das, was uns zu einem Sachverhalt wichtig ist, loszuwerden. Einfach alles aufführen, ohne eine Unterbrechung befürchten zu müssen. Dazu gehört wohl auch die Tirade, bei der man jemandem mal so richtig die Meinung geigt, ohne dass dieser einschreiten oder ausweichen kann.
- Beweissicherung: Eine ganz perfide Geschichte: Ich verwickle den anderen in einen E-Mail-Austausch, um anschließend etwas in der Hand zu haben, das ich auch anderen weiterleiten kann.
Allen Tretminen scheint mir gemeinsam, dass hier die offene Auseinandersetzung vermieden wird – was natürlich nur ein Aufschieben ist.
Der Autor empfiehlt vor allem erst einmal gegenseitigen Respekt – das sollte vielleicht immer ein Prüfstein sein. Ist das, was ich da gerade schreibe, respektvoll dem anderen gegenüber? Der zweite Tipp: Ein gemeinsames Ziel. Also lautet Frage 2 beim Verfassen einer Mail: Dient der Text einem gemeinsamen Ziel? Ich vermute, bei einer ehrlichen Antwort würde so manche Mail nie geschrieben.
Und wenn ich selbst eine der oben genannten Mail-Variationen erhalte? Auch dazu gibt es Tipps, und die laufen auf eines hinaus: DIALOG. Was Wunder. Die klare Ansage lautet: Nicht per Mail auf die Inhalte reagieren, sondern einen Telefontermin oder ein persönliches Gespräch vereinbaren. „Ich habe Ihre/Deine Mail erhalten und würde gerne darüber sprechen. Passt es heute um…?“ Jede Wette, dass die E-Mail-Bomben des anderen ganz schnell ausbleiben. Voraussetzung allerdings: Wir scheuen nicht selbst den Konflikt, wollen keine Tirade ablassen oder gar Beweise sichern, sondern verfolgen ein gemeinsames Ziel. Und empfinden noch so etwas wie Respekt für den anderen.
Noch zwei Tipps, des Sozialwissenschaftlers: Wenn Sie den anderen dann am Telefon oder vor sich haben, beginnen Sie mit dem Ziel („Ich möchte eine Klärung/ ein Ergebnis bezüglich…“) und halten Ihr Eingangsstatement möglichst kurz und respektvoll. Ein guter Rat: Maximal 30 Sekunden, dann bitten Sie den anderen um seine Meinung.
Zurück zur Zukunft: Butterfield glaubt, dass wir lernen müssen, welche Funktion und Aufgaben die elektronische Kommunikation übernehmen kann. Er nennt das „Gespräche mit geringerer Bandbreite„, deren Inhalt unkompliziert ist, es um Informationen und Fakten geht oder offizielle Aussagen. Hier hilft die elektronische Kommunikation Zeit zu sparen und vor allem eben, viele Menschen einzubinden. Dann spielen eben auch Körpersprache und Mimik keine so große Rolle, und wenn man eine Aussage als Ironie kennzeichnen möchte, helfen Smileys.
Für Kommunikation, die ein hohes Maß an Vertrauen voraussetzt, bleibt auch in Zukunft der direkte Dialog unverzichtbar. Das zu begreifen und auseinander zu halten, dürfte eine ziemliche Herausforderung bedeuten. Ob es wirklich „Hunderte von Jahren dauern“ kann, bis sich elektronische Kommunikation voll entfaltet, stelle ich mal in Frage…