26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Düsterdenken

INSPIRATION: Muss man immer noch Artikel über die Macht des Menschenbildes verfassen? Ein Historiker erklärt uns, warum unser Menschenbild vorwiegend negativ geprägt ist, warum es sich beharrlich behauptet und zeigt eine Reihe von Erkenntnissen auf, die eigentlich für das Gegenteil sprechen. Ob es etwas nützt?

Es ist ein uralter Streit: Ist der Mensch gut (Rousseau) oder böse (Hobbes)? Wer von der ersten Annahme ausgeht, tendiert zu der Haltung: „Gebt uns die Freiheit, sonst laufen die Dinge schlecht!“. Wer der gegenteiligen Ansicht ist, fordert: „Gebt uns die Macht, sonst laufen die Dinge schlecht.“ (Die Macht des Menschenbildes). Fakt ist wohl, dass das negative Bild immer noch der Mainstream ist. Und ich möchte ergänzen: Vielleicht sogar auf dem Vormarsch, wie die gefährdete Demokratie und der Aufstieg der Autokraten fürchten lassen. Umgekehrt könnte man im Bereich der Wirtschaft von einem Umdenken träumen – hier wird die Forderung nach Enthierarchisierung und Selbstverantwortung lauter.

Doch warum hält sich das negative Bild so hartnäckig? Eine interessante Erklärung: Wer vom Schlechtesten ausgeht, ist immer auf der sicheren Seite. Auch wenn sich seine negativen Erwartungen nicht erfüllen, kann er argumentieren: „Diesmal ist es gut gegangen – aber das ist kein Beweis für das Gute im Menschen.“ Wer vom Positiven ausgeht, muss immer befürchten, dass es „noch“ nicht schiefgegangen ist. Einfaches Beispiel: Wer anderen vertraut und nicht über’s Ohr gehauen wird, der kann nie sicher sein, dass es doch irgendwann geschieht – und er damit widerlegt ist. Der Pessimist kann sagen: „Glück gehabt“ – und sicher sein, dass irgendwann jemand sein Vertrauen missbraucht.

Homo oeconomicus

Ein weiterer Grund für die Langlebigkeit des negativen Bildes: Die Sicht der Ökonomie, Stichwort „Homo oeconomicus“. Der nämlich denkt egoistisch, ist auf den eigenen Vorteil bedacht und macht nur, was ihm selbst nützt. Daher all die Belohnungs- und Kontrollsysteme in den Unternehmen. Interessant: Es gibt wohl eine Studie, die belegt, je länger Studenten Wirtschaftswissenschaften studiert haben, desto egoistischer werden sie. Und natürlich: Die Mächtigen, also z.B. auch die Führungskräfte in Organisationen, können ja gar nicht anders als das kritische Menschenbild zu pflegen, weil sonst ihre disziplinarische Funktion überflüssig ist.

Der Autor führt eine Reihe von Belegen gegen die Argumente der Pessimisten an. So die These, dass in der Evolution des Menschen nicht derjenige überlebte, der andere bekämpft hat, sondern der besonders hilfsbereit und kooperativ war (Survival of the Friendliest). Auch unsere Physiognomie könnte dafür stehen, dass wir eher sozial und offen sind: Anders als viele Primaten sorgt das Weiße in unseren Augen dafür, dass andere erkennen, wohin wir schauen (was z.B. dazu führt, dass wer etwas zu verbergen hat, auch dann Sonnenbrille trägt, wenn diese durch das Wetter gar nicht gerechtfertigt ist). 

Auch die Experimente, die angeblich beweisen, dass Menschen wenig mitfühlend und kalt sind wie das Milgram-Experiment oder das Stanford-Prison-Experiment, können nicht wirklich die These bestätigen – weil hier die Rolle der Versuchsleiter einen wesentlichen Einfluss hatte und bei Wiederholungen die Ergebnisse anders aussahen. Bis hin zu der Erkenntnis, dass Menschen anderen, wenn diese angegriffen werden, durchaus auch dann helfen, wenn viele andere zuschauen.

Prosoziales Verhalten

Schon klar, es stellt sich die Frage, warum es dann überhaupt all die Grausamkeiten gibt, von denen wir regelmäßig aus allen möglichen Medien und auch im Alltag erfahren. Eine interessante Erklärung: Vieles könnte in unserer Empathie begründet sein. Diese richtet stets sehr auf die eigenen Gruppe, auf jene, die uns ähnlich und nah sind. Unter Gruppendruck sind Menschen zu furchtbaren Taten in der Lage.

Eine andere Begründung: Gerade die gängigen Machtstrukturen, die es in dieser Form erst gibt, seitdem Menschen sich niedergelassen und Besitz von Land und Ressourcen ergriffen haben, beeinträchtigen unsere natürliche Fähigkeit zur Empathie. Dessen Basis, das bekannte Spiegeln (lächelt uns jemand an, lächeln wir automatisch zurück), scheint gestört zu sein, wenn Menschen Macht über andere erhalten – „Mächtige spiegeln seltener“.

Ob das die „Pessimisten“ überzeugt? Ich fürchte nicht. Ich lasse mich bei solchen Diskussionen gar nicht mehr darauf ein, wer denn nun „Recht“ hat. Mich hat seit jeher überzeugt, dass es einfach schlau ist, vom Positiven im Menschen auszugehen. Einfach deshalb, weil Menschen sich den Erwartungen anpassen: Wer kontrolliert wird, wird betrügen, wem vertraut wird, der wird das Vertrauen erwidern, Stichwort Pygmalion Effekt oder Selfulfilling Prophecy. Natürlich nicht sofort, und natürlich gibt es Ausnahmen. Aber die Alternative ist so gruselig, dass sie eben keine ist.

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