KRITIK: Der Bericht im Handelsblatt über WeWork beeindruckt und weckt Skepsis. Wenn es nach dem hoch bewerteten Start-up geht, dann verschmelzen Arbeit und Wohnen und alle sind glücklich. Das nennt sich „physisches soziales Netzwerk“. Klingt absurd, oder? Früher begegneten sich Menschen auf der Straße, bei der Arbeit, im Café. Dann zogen sich viele ins Internet zurück und versammelten dort ihre „Freunde“ um sich.
Und jetzt kommen coole Start-ups daher und bringen die Menschen wieder physisch zusammen – in „Co-Working-Spaces“. Das erwähnte Start-up ist eines der wertvollsten der Welt und kauft massenhaft Bürogebäude und baut sogar Kombinationen aus Wohnungen und Büros (Milliarden mit dem Wir-Gefühl). Dort können Menschen einen Arbeitsplatz mieten und dazu die passende Schlafgelegenheit. Das erinnert viele ans Studentenleben und das könnte laut einem Kritiker auch der Trick sein – viele erinnern sich gerne an die Zeit und lassen sie wieder aufleben.
Am Arbeitsplatz soll es dann an nichts fehlen: Es gibt kostenlose Fitnesskurse, Konzerte und Comedy-Veranstaltungen, und man kann jede Menge Dienstleistungen dazu kaufen – wie z.B. Versicherungen und Softwareprogrammierungen. Das Unternehmen vermarktet sich geschickt als neue Kulturbewegung – es bringt Menschen am Arbeitsplatz zusammen. Man schätzt, dass in den nächsten fünf Jahren die Zahl der „Co-Worker“ von einer auf 3,8 Millionen klettern wird. Was noch dadurch angeheizt wird, dass große Konzerne für ihre Mitarbeitern Arbeitsplätze in diesen geteilten Bürowelten anmieten.
Und natürlich wäre ein Start-up ja kein Start-up, wenn nicht auch hier die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen würde. Die digitale Technik findet sich hier in den Wänden und Möbeln. Wenn der Inhaber eines Schreibtischs in dessen Nähe kommt, meldet sein Smartphone, dass er gleich dort sein wird und fährt die Arbeitsplatte hoch. Klingt nach einer unverzichtbaren Innovation. Schön wäre es, wenn dann auch noch sofort der heiße Kaffee eingegossen wird – aber das mag ja noch kommen. Obwohl – wäre auch wieder schlecht, dann trifft man sich ja nicht an der Kaffeemaschine und vorbei wäre es mit dem physischen Netzwerken.
Es gibt kritische Stimmen, die von dem Geschäftsmodell nicht so viel halten. Sie fürchten, dass in schlechten Zeiten die Vermieter Probleme kriegen werden. Und die Konkurrenz rüstet auch schon auf: Mit ruhigen Arbeitsplätzen, die für jene sind, die den Trubel bei WeWork nicht mehr aushalten.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese „Wir arbeiten und wohnen alle zusammen“-Idee an ihre Grenzen stoßen wird. Sie klingt erst mal hipp und trifft vermutlich wirklich auf den Zeitgeist. Aber so wie Unternehmen ihre Mitarbeiter vom Homeoffice zurück in die Zentrale holen, so werden sie vermutlich auch wieder zurückrudern in Sachen „Co-Working-Space“.