KRITIK: Nun geht es also mal wieder der Teamarbeit an den Kragen. In Experimenten haben Teilnehmer in Teamkonstellationen mehr gelogen, beim Tauziehen strengen sie sich weniger an. Sind das wirklich Argumente gegen die Kooperation von Menschen?
Der Beitrag erschien in der Wirtschaftswoche (Ich Team, du Work), offenbar geht das Loblied auf die Teamarbeit einigen Menschen auf die Nerven. Zumal ja zur Zeit die Hierarchien abgeschafft und alle Entscheidungen in eigenverantwortliche Teams verlagert werden – zumindest wird das behauptet.
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Hier werden nun Studien zitiert, nach denen sich Menschen beim Tauziehen weniger anstrengen und zusammen daher nicht so viel Kraft aufbringen wie die Addition jeder einzelnen Leistung das nahelegt. Und in anderen Experimenten zeigt sich, dass Menschen, die wissen, dass auch noch andere mitmachen, mehr schummeln als diejenigen, denen man sagt, sie würden allein handeln.
Und dann kommt noch das Killerargument schlechthin: Wahrhaft große Ideen wurden noch nie von Teams erdacht, sondern von einzelnen Genies. Und nun? Ganz witzig: Der Beitrag führt erst jede Menge Argumente auf, die für eine Kooperation sprechen, angefangen von „Große Herausforderungen kann niemand allein meistern“ bis „Allein Teams können sich aus verschiedenen Blickwinkeln in die Bedürfnisse der Kunden hineinversetzen„.
Aber dann geht es los: In jedem Projekt-Team gibt es unauffällige Schläfer und Bremser. Menschen überschätzen ihren Beitrag zum Erfolg des Teams. Homogene Gruppen bringen die charakterlichen Schattenseiten der Einzelnen hervor. Die absurden Abstimmungsprozesse in Teams führen dazu, dass die Menschen nicht mehr zu ihrer eigentlichen Arbeit kommen und diese mit nach Hause nehmen müssen usw.
Keine Frage: Wenn man Menschen zusammenbringt und sagt: Los, nun arbeitet mal als Team, dann ist das wenig zielführend. Womit wir beim Kern sind: Teams sind jedem Individuum überlegen, wenn sie ein klares Ziel haben, dass nur durch die Kombination der Fähigkeiten der Mitglieder erreicht werden kann. So wie bei einer Fußballmannschaft. Oder einer Musikband, wie Reinhard Sprenger zu berichten weiß (Musiker sind die bessern Manager). Warum sollte ein Schachspieler im Team antreten? Doch halt, auch hier ist sicher derjenige im Vorteil, der ein gutes Team hinter sich weiß. Und selbst der geniale Einzelgänger wird wohl kaum als Einsiedler auf seine tollen Ideen kommen.
Also was soll dieses Verurteilen der Teamarbeit? Ich vermute, das hängt damit zusammen, dass in jeder Stellenausschreibung „Teamfähigkeit“ verlangt wird, und so manchen dabei Zweifel befallen, ob er überhaupt geeignet ist, mit anderen zusammen zu arbeiten. Das Problem dabei: Niemand weiß, was „Teamfähigkeit“ eigentlich ist. Wenn jemand gut zuhören kann, ist das sicher ein Teil davon. Ein anderer hat tolle Ideen, der dritte kann prima visualisieren, der vierte findet stets den kritischen Punkt an einer Idee, der fünfte vermittelt bei Konflikten… sind sie nicht alle „teamfähig“?
Vielleicht sollte man statt Teamfähigkeit in den Stellenausschreibungen bestimmte Dinge ausschließen: Fähigkeit zur übertriebenen Selbstdarstellung; Fähigkeit, Ideen anderer als die eigenen auszugeben; Fähigkeit, sich nicht an Absprachen zu halten; Fähigkeit, Zusagen nicht einzuhalten – lauter Dinge, die man im Team sicher nicht haben möchte.
Und wenn man dann noch dafür sorgt, dass auch das einzelne Genie die Möglichkeit hat, sich zu verwirklichen (und sei es dadurch, dass man in modernen Büroräumen ruhige Arbeitsplätze zur Verfügung stellt), dann klappt das auch mit der Zusammenarbeit.