30. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Fragen, die den Unterschied machen

PRAXIS: Im Coaching geht es darum, Erkenntnisgewinn durch Selbstreflexion zu ermöglichen. Das Mittel der Wahl sind Fragen. Aber nicht irgendwelche Fragen, sondern solche, die einen Unterschied entstehen lassen. Soll heißen: Die Frage bewirkt, dass der Betroffene durch sie einen anderen Blick auf seine Situation bekommt. Dahinter steckt die Hypothese, dass menschliches Verhalten und Erleben nicht trivial ist. Eben nicht wie bei Maschinen, wo es lineare Zusammenhänge gibt: Betätige ich Hebel A, geschieht X. Drücke ich Schalter B, geschieht Y. Menschen aber stehen immer in Beziehung zu anderen, in jedem Moment, in dem sie handeln, beeinflussen sie das Verhalten ihrer Mitmenschen und umgekehrt. 

Dennoch sind wir immer wieder versucht, einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge anzunehmen. „Mein Nachbar schneidet mich, weil er überempfindlich ist. Ganz einfach.“ Das macht die Welt überschaubar und funktioniert im Alltag zum Glück ja auch oft genug. Ich frage eine Mitarbeiterin im Supermarkt, wo das Olivenöl steht und bekomme eine – hoffentlich richtige – Antwort. Aber sobald Sand ins Getriebe gerät, funktioniert es eben nicht mehr. Ob bei Konflikten mit anderen oder mit mir selbst. Dann zerbreche ich mir das Hirn, um DIE EINE Ursache zu finden mit der Idee, das Problem bei der Wurzel zu packen und alles wird gut.  Wird es aber nicht. 


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Da hilft auch der Coach nicht, denn wo es keinen eindeutigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gibt, können eben auch Experten einen solchen nicht aufzeigen. Was sie aber tun können, ist dieses Ursache-Wirkungsdenken aufzuspüren und es in Frage stellen. Damit erreichen sie, dass der Coachee für die Komplexität zwischenmenschlichen Verhaltens sensibilisiert wird und anschließend Mehrdeutigkeit besser aushält. Vor allem aber: Er wird angeregt, etwas anderes als bisher auszuprobieren und damit seine Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

Ein zentrales Mittel hierzu sind zirkuläre Fragen und alle, die hiermit verwandt sind. (Wer mehr zu dem theoretischen Hintergrund lesen möchte, dem sei der Artikel von Andreas Patrzek im Coaching Magazin ans Herz gelegt: Zirkuläre Fragen 2.0 – Teil 1.)

Wenn also der Coachee in seiner „Problemtrance“ steckt, hilft es wenig, nach den Ursachen zu forschen – was er natürlich gewohnt ist und selbst schon ständig versucht hat. Hier den kompletten Katalog sinnvoller Fragen wiederzugeben, die in dem Beitrag im Coaching-Magazin vorgestellt werden (Zirkuläre Fragen 2.0 – Teil 2), würde den Rahmen sprengen. Der Versuch einer Systematik mit einigen Fragebeispielen:

  • Die direkte Frage nach Unterschieden, wobei die eigene Person einbezogen sein sollte: „Was unterscheidet Sie von Ihrem Chef? Was haben Sie gemeinsam? Wie“ könnten Sie den Unterschied ein wenig verringern?
  • Fragen zur Auswirkung von Konzepten: „Welcher Ihrer Eigenschaften verdanken Sie es, dass Sie die schwierige Situation bewältigt haben / mit den Kollegen immer mal wieder in Konflikte geraten? Was glauben Sie, was andere an Ihnen schätzen? – Welchem inneren Drehbuch scheinen die beschriebenen Konflikte zu folgen?“
  • Kluger-Kopf-Fragen, z.B. „Ein kluger Kopf hat mal gesagt, dass Wissen wichtiger sei als Meinungen. Inwieweit spielt das eine Rolle bei dem Problem? Was können Sie mit dem Satz anfangen? Was würde das für die Zusammenarbeit bedeuten? Welchen Unterschied in Ihrem Verhalten würde das machen?“
  • Bildhaft-metaphorische Fragen: „Mir hat mal jemand erzählt, dass Kommunikationsprobleme ihn an zwei Segler erinnern, die sich auf beiden Seiten des Bootes hinauslehnen, und je weiter der eine sich hinauslehnt, umso weiter muss das auch der andere tun. Der Kraftaufwand ist enorm, das gleiche Ergebnis würde erzielt, wenn sich beide aufrecht hinsetzten. Gibt es Momente, wo Ihre Beziehung zu X Sie an dieses Muster erinnert? Welchen Unterschied würde es machen, wenn Sie „sich aufrecht hinsetzten“?“
  • Fragen zu Außenperspektiven, der Klassiker der zirkulären Frage: „Was glauben Sie, wie A das sieht? Wie würde der Kollege Sie einschätzen, wenn man ihn fragt? Wie würde Kollege B Ihren Chef beschreiben? Was glauben Sie, was ich gerade denke? Wen im Team müsste man fragen, um eine besonders positive Sicht zu bekommen?“
  • Hypothetische Fragen – im Grunde sind auch die klassisch zirkulären Fragen hypothetisch, denn man erfragt ja, was man glaubt, was andere denken. Hier ist mehr gemeint, dass man ein Szenario vorstellt, z.B. zu Wechselwirkungen: „Angenommen, Sie würden ab sofort dem Kollegen Ihre Hilfe anbieten – wie würde er reagieren? Welche Wirkung hätte das auf Ihr Verhalten?“
    Weitere hypothetische Fragen: Dissoziationsfragen: „Angenommen, jemand ohne jegliche Ahnung von dem Problem würde sich das anschauen – was würde er wohl sagen?“
    Ziel-Weg-Verknüpfung: „Angenommen, Sie schauen in einem Jahr auf Ihren Weg zum Ziel zurück – welche Meilensteine wären besonders wichtig für Sie gewesen?“
    Personen-Wechsel: Angenommen, Ihr Mitarbeiter wäre Ihr Chef – wie würden Sie dann sein Verhalten beschreiben? Angenommen, Ihr Kollege würde mit dem Kunden sprechen – was würde er sagen? Und was wäre der Unterschied?“
    Die Wunderfrage – eigentlich die letzte Möglichkeit, dem Klienten ein Gefühl für mögliche Veränderungen zu geben. Patrzek empfiehlt, sie maßvoll einzusetzen und stellt als „Alltagsvariante“ die Frage: „Angenommen, Sie könnten Wunder bewirken – was würden Sie als erstes ändern, um das Problem zu lösen?“
  • Die Frage nach dem Unterschied als Ergänzungsfrage: An die vorgestellten Fragen kann der Coach immer Fragen nach einem möglichen Unterschied anhängen. Also nach der Antwort des Coachees nachhaken mit: „Welchen Unterschied würde das für Sie machen? Woran würden Sie zuerst merken, dass es für Sie einen Unterschied macht? Woran würde das der Kollege / Personen aus Ihrem Umfeld) merken?“
  • Auch die Skalierungsfrage kann eine sinnvolle Ergänzung zu zirkulären Fragen sein. Der Klassiker: „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie konstruktiv erleben Sie die Zusammenarbeit mit…?“ Diese Fragen helfen dem Coachee, sich den eigenen Bewertungsrahmen bewusst zu machen, der entscheidend ist für die Bewertung anderer. Typische Anschlussfrage im lösungsorientierten Vorgehen: „Was können Sie tun, um von der 4 auf eine 6 zu kommen?“
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