27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Geduld und Freiraum

INSPIRATION: Sie kommen und gehen, die Management-Trends. Ganz hoch im Kurs zur Zeit: Kreativität und Innovation. Alle suchen nach den disruptiven Ideen, den bahnbrechenden Neuerungen und dem nächsten großen Wurf. Brauchen Führungskräfte deshalb vor allem Kreativität, wie eine Umfrage ergab? IBM hat wohl diese Frage gestellt, und dabei kam Kreativität als wichtigste Fähigkeit für Führungskräfte heraus.

Die Amerikanerin Diana Senechal hat ein Buch mit dem Titel „Mind over Memes“ veröffentlicht und stellt darin fest, dass immer wieder Phrasen ungeprüft übernommen werden, deren Wert zweifelhaft ist. So wie überall „Teamfähigkeit“ auftaucht und keiner den Begriff hinterfragt. Oder eben neuerdings Kreativität. Natürlich gibt es immer wieder schöne Geschichten (case studies) über Einzelfälle, in denen ein Mitarbeiter eine geniale Idee hatte und diese sich dann zum Wohle des Unternehmens durchsetzte. Die Schwierigkeit solcher „Worthülsen“: Niemand weiß eigentlich genau, was damit gemeint ist.

Das ist ganz praktisch, weil man sofort jede Menge Dienstleistungen anbieten kann, mit denen die so wichtigen Fähigkeiten gefördert werden. Seien es Tests, mit den Kreativität gemessen werden soll, oder Übungen, mit denen sie entwickelt wird. Ob das hilft, wird in dem Beitrag der Wirtschaftswoche (Kann man zwanghaft originell sein?) arg bezweifelt. Wie so oft ist der Ansatz dieser: Man schaut sich Beispiele von Menschen an, die auf eine tolle Lösung gekommen sind, untersucht, was diese von anderen unterscheidet und versucht dann, Methoden zu verkaufen, mit denen alle oder zumindest ein Großteil der Mitarbeiter zu Erfindern werden.

Und so wenig klar ist, was Kreativität ist, so wenig ist erforscht, ob Training überhaupt etwas bringt. So viel aber scheint gesichert: Per Anordnung klappt das mit den Ideen schon gar nicht. Wer Mitarbeiter unter Druck setzt nach dem Motto: Denkt euch was Neues aus!, der sollte nicht mit durchschlagenden Neuerungen rechnen. Was schon mehr hilft, sind Geduld und Freiräume. Ersteres zeichnet Manager eher selten aus, zweiteres spricht sich allmählich herum. Gemeint sind räumliche Freiräume – also auch mal zu Hause bleiben, beim Spaziergang denken, in ruhigen Denkräumen ungestört grübeln – als auch zeitliche Freiräume. Letzteres ist schon deutlich schwieriger in Zeiten, in denen immer mehr in dem vorgegebenen Zeitraum geschafft werden soll. Nicht umsonst klagen viele Manager, dass kaum noch Zeit zum Nachdenken bleibt.

Also nie mit Zeitdruck arbeiten? Stimmt nicht, sagt der Neurobiologe in der gleichen Ausgabe (Mein  Freund, der Stress). Es ist völlig richtig, dass niemand unter Zeitdruck auf gute Ideen kommt. Aber wenn es darum geht, sich zu entscheiden, dann ist Stress nicht verkehrt. Unter Druck reagiert unser Gehirn dazu, sich zu fokussieren, alles Nebensächliche auszuschalten und den Blick auf das Wesentliche zu richten. Soll wohl heißen: Wenn  Sie sich mal nicht entscheiden können, dann setzen Sie sich ein Zeitlimit. Dieser Druck ist hilfreich. Wenn Sie aber feststecken, weil es Ihnen an der zündenden Idee mangelt, dann nehmen Sie sich reichlich Zeit und Raum. Und als Führungskraft gewähren Sie diesen Ihren Mitarbeitern.

Und was, wenn diese auch mit noch so viel Zeit die erhoffte Kreativität vermissen lassen? Vielleicht hapert es dann auch am Fokus. Denn das ist eine weitere Erkenntnis: Es muss klar sein, wozu Ideen gesucht werden. Also weder zu enge Grenzen noch zu weite Grenzen setzen. Es ist also durchaus sinnvoll zu sagen: „Wir wollen die Zielgruppe der 20 bis 30jährigen erreichen – lasst euch etwas einfallen!“ Weniger hilfreich ist: „Seid mal kreativ, wir suchen neue Ideen!“

Und wenn auch das nicht hilft? Dann trösten Sie sich mit dem Verweis darauf, dass man eben Geduld braucht und eben auch längst nicht jedes Start up erfolgreich ist. Vielleicht klappt es beim nächsten Versuch.

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