4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Gefühle in der Mediation

INSPIRATION: Ein Konflikt, in dem es rein sachlich zugeht, ist kaum vorstellbar. Und wenn Parteien sich auf der Sachebene begegnen, werden sie vermutlich keine Mediation in Anspruch nehmen. Mit anderen Worten: In einer Mediation ist mit mehr oder weniger starken Gefühlsäußerungen zu rechnen. Wie geht ein Mediator mit ihnen um?

Heiner Krabbe fordert in der ZKM, dass Mediatoren über Grundlagenwissen in Sachen Emotionen verfügen müssen und „die Prinzipien therapeutischen Arbeitens mit Emotionen kennen“ sollten, natürlich ohne therapeutisch arbeiten zu wollen (Ärger und Wut muss man rauslassen). Die Grundlagen sehen so aus:


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Die erste Bewertung eines Ereignisses ist immer emotional, d.h. unser Gehirn reagiert schon wertend, bevor wir uns über etwas Gedanken machen können. Das sollte jeder von sich selbst kennen: Jemand sagt etwas und wir reagieren unmittelbar mit Ärger, Erstaunen, Freude, Verwunderung, Enttäuschung usw. Wobei mit dem Gefühl noch vier weitere Komponenten verbunden sind:

  1. Eine somatische, d.h. wir erröten, brechen in Schweiß aus, unser Puls rast, wir müssen schlucken …
  2. eine behaviorale, d.h. wir reagieren spontan, indem wir z.B. sofort den Kopfschütteln, lachen, erstarren, die Augen aufreißen …
  3. ein kognitive, d.h. es schießen uns spontan Gedanken durch den Kopf, z.B. Urteile, Bewertungen …
  4. eine motivationale, d.h. wir verspüren einen Wunsch, ein Bedürfnis, z.B. nach Abstand, Nähe, Sicherheit …

Wenn wir unsere Gefühle gut im Griff haben und im Umgang mit ihnen geübt sind, dann gelingt es uns, sie angemessen zu verarbeiten, also Emotion und Kognition zu integrieren. Krabbe unterscheidet außerdem noch zwischen primären und sekundären Emotionen. Letztere sind solche, hinter denen sich andere Gefühle verbergen, und deren Ausbruch uns demnach in die Irre führt. Wenn also jemand Wut zeigt, dahinter sich aber eine tiefe Verzweiflung verbirgt. Außerdem führt er noch „maladaptive Emotionen“ auf, die zwar primäre Emotionen sind, aber so stark, dass sie eine „Person vollständig einnehmen„. Solche maladaptiven Emotionen zu erkennen, sollte aber einem Mediator nicht schwerfallen.

Der Umgang mit Emotionen, ob nun in der Therapie oder der Mediation, umfasst zwei Phasen: Das Ankommen und das Verlassen. Annehmen bedeutet, die Emotion wahrzunehmen und zu akzeptieren: „Da ist tatsächlich Wut, und diese Wut wird wohl ihren Grund haben …“ Verlassen steht für das „Nutzbarmachen, das Transformieren von Emotionen.

Von stabilen und weniger stabilen Klienten

So weit die Grundlagen in aller Kürze. Was macht nun ein Mediator, wenn er mit Emotionen in einem Konfliktklärungsprozess konfrontiert wird? Wie so oft lautet die Antwort: Das kommt darauf an. Ist die Person stabil, dann kann es durchaus hilfreich sein, die Emotionen anzusprechen. Er kann sie in angemessene Worte kleiden, er kann sie bzw. die verschiedenen Aspekte der Emotion direkt adressieren: „Was haben Sie gefühlt?“ – „Wie ging es Ihnen körperlich?“ -„Was ging Ihnen durch den Kopf?“ – „Was war Ihnen in dem Augenblick besonders wichtig?“

Er kann auch die nonverbalen Reaktionen ansprechen, z.B. tiefes Durchatmen, Kopf schütteln etc. Letztlich geht es darum, den Parteien zu helfen, einen Zugang zu ihren Emotionen zu bekommen und zu verstehen, was diese mit dem Thema zu tun haben. Dem Mediator hilft das, auf Themen zu schließen, die noch unbearbeitet sind, aber noch geklärt werden sollten. Diese kann er auch direkt ansprechen: „Welches Thema müsste zwischen Ihnen noch geklärt werden, damit sich Ihr Ärger wieder legen kann?“

So weit die Parteien, die stabil sind. Bei Menschen, die dem Ansprechen von Emotionen nicht gewachsen sind, ist das eher kontraproduktiv. Hier würde es zu einem noch intensiveren Erleben führen. Statt sie also direkt zu adressieren, empfiehlt der Autor, ihre Hinweisfunktion zu nutzen und auf die ihnen zugrundeliegenden Bedürfnisse zu schließen. In der Regel sind dies Grundbedürfnisse wie Sicherheit, soziale Bindungen oder Autonomie. Er kann auch direkt nach diesen Bedürfnissen fragen, z.B. fragen, was sie in der Situation gerade brauchen. Oder er bildet selbst Hypothesen, um welches Bedürfnis es geht und die Aufmerksamkeit der Klienten darauf lenken.

Mich erinnert das sehr an die gewaltfreie Kommunikation, bei der ein Gesprächspartner sowohl die wahrgenommenen Gefühle in Worte fasst als auch anschließend seine Vermutung äußert, was dem anderen so besonders wichtig sein könnte. Die Empfehlung, je nach „Standfestigkeit“ einer Konfliktpartei ersteres lieber zu unterlassen und gleich die Bedürfnisse anzusprechen, erscheint mir allerdings einleuchtend.

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