KRITIK: Ich will es gleich los werden: Ich warne vor der Anwendung dieses sogenannten Tools! Ich halte es für groben Unfug. Die Autorin (Resistance Radar) bedauert „die destruktive Kraft interner Widerstände bei Change-Prozessen.“ Zwar warnt sie vor der Personalisierung von Widerstand, doch nur, um ein zumeist bestehendes allgemeines Informationsdefizit zu unterstellen. Daher müsse man zunächst einmal die „Widerstandslandkarte“ erkunden, das Ausmaß der Widerstände und auch den Bezugspunkt (Ebenen) explorieren. Das Ausmaß differenziert zwischen rationalen (sachlichen/harten) sowie irrationalen (emotionalen/weichen) Widerständen. Die drei Ebenen lauten: „Einschätzung der Ausgangslage“, „Einverständnis mit dem Weg der Veränderung“ und „Identifikation mit dem Ziel“.
Das Vorgehen ist schnell erklärt, weil simpel und naiv: Mit einem Fragebogen wird die subjektive Haltung der Mitarbeiter zum Change-Projekt ermittelt. Die „Widerstandsobjekte“ werden dann vom Mitarbeiter auf einer Skala eingeschätzt und dann aufsummiert. So kommt man dann zu einem Total Resistance Factor, oder auch zu einem Average Resistance Factor. Und selbstverständlich kann man dann auch abteilungsbezogene Sonderauswertungen ziehen.
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Die Auswertung wird dann in Form eines Radardiagramms dargestellt: „So lässt sich sofort erkennen, ob sich der Widerstand der befragten Person oder der analysierten Gruppe eher bei der Ausgangslage, dem eingeschlagenen Weg der Veränderung oder aber beim Einverständnis mit dem Ziel der Veränderung finden lässt. Ebenso ist sofort ersichtlich, ob die Friktionen eher rational oder emotional begründet sind.“ Es folgt die interne Aufarbeitung des Widerstandes in Workshops mit den Befragten. Das Management kann nun ermessen, an welchen Stellen es seine Ressourcen zur Bewältigung des Widerstandes fokussiert einsetzen muss. Eine Wiederholungsbefragung kann dann Veränderungen aufdecken.
Warum warne ich vor diesem Tool? Schon der Begriff Widerstand ist eine Wertung, und zwar eine Abwertung. Warum soll das, was das Management vorhat, grundsätzlich gut sein? Wird nicht immer wieder das Management von Aufsichtsgremien ausgewechselt, weil es offensichtlich nichts Gutes bewirkt hat? Warum werden die „Widerständler“ pauschal ins Unrecht gesetzt? Was, wenn sie gute Gründe haben, am Status quo festzuhalten oder Alternativen zum Management vorzuschlagen? Wird nicht durch die Change-Management-Ansage all das, was die Mitarbeiter all die Jahre geleistet haben, abgewertet? Oder formulieren wir das noch radikaler: Geschieht Change nicht jeden Tag? Wer mag sich da als einzig Weiser aufschwingen? Ist er doch Morgen schon ein Gestriger.
Der Begriff Widerstand exekutiert folglich lediglich die Logik „Ober sticht Unter“. Wie billig! Fragte nicht schon Bert Brecht: „Cäsar eroberte Gallien. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“ (Fragen eines lesenden Arbeiters). Die Vorstellung eines heroischen Managements scheint auch im Zeitalter des postheroischen Managements ungebrochen attraktiv zu sein, suggeriert dieser Beitrag.
Dann fehlt es hier schlicht an evidenzbasierter Theorie. Stattdessen werden küchenpsychologische Kategorien wie rational (sachlich/hart) sowie irrational (emotional/weich) gesetzt und kontrastiert. Diese Unterscheidungen sind nichts als plumpe Vorurteile und einer akademischen Verwendung unwürdig. Oder um es sarkastisch zu wenden: Die wirklich harten Faktoren sind weiche! Das sollte doch spätestens seit der Erfindung der Balanced Scorecard (BSC) klar sein. Auch die drei Ebenen muten suggestiv an: Ist – Soll – Weg. Man soll offenbar glauben: Der Kutscher kennt das Ziel und den Weg, die dummen Pferdchen nicht. Soll das die Definition von Change-Management sein? Wie plump und technokratisch wäre das?
Erfahrene Organisationsentwickler, die Autorin zitiert leider niemanden dieser Kategorie, lassen sich auf ein solches simples Weltbild nicht ein. Als erstes freuen Sie sich über sogenannten Widerstand. Denn die Reaktionen zeigen: Die Organisation lebt! Nur tote Fische schwimmen ausschließlich mit dem Strom. Der sogenannte Widerstand ist wertvoll, spiegelt sich hierin doch das Engagement der Mitarbeiter, deren Werte, Erfahrungen und vieles mehr. Das Dümmste wäre, sich die Mitarbeiter gleich zum Gegner zu machen, den sogenannten Widerstand brechen zu wollen.
Deshalb gilt es für das Management, vom hohen Ross herabzusteigen und zuzuhören. Um dann gemeinsam (!) mit den Mitarbeitern eine ggf. adaptivere Form der Zukunftsbewältigung zu entwickeln. Dazu ist seit den 1990er-Jahren erfolgreich mit Großgruppenmoderationsverfahren gearbeitet worden: Appreciative Inquiery, Open Space, World Cafe und wie sie alle heißen. Mit einem klugen, partizipativen Ansatz wird man Erfolg haben. Aber nicht mit eher an ein Verhör erinnernden Methoden nebst anschließenden „Kopfwaschen“ und kollektiven „Einnorden“.