INSPIRATION: Ein Unternehmen wächst und wächst, irgendwann werden Zwischenebenen eingezogen. Für die einen das Ende der Freiheit, für die anderen Karrierechance. Zwei Geschichten von sehr unterschiedlichen Verläufen, gefunden in der Brand eins. Das eine Unternehmen heißt Jimdo, dort hat einer der Gründer die Abwesenheit der beiden anderen während des Sabbaticals genutzt, um die Firma umzukrempeln (Matzes Husarenstück).
Zuvor war Jimdo bekannt für seine Spaßkultur und die flachen Hierarchien, die Teams agierten weitgehend souverän. Doch mit dem Wachstum kamen die Probleme, die wohl auch durch die Stelle einer Feelgood-Managerin nicht beseitigt werden konnten. Zwar war der Umsatz immer noch im grünen Bereich, aber die Produktentwicklung war zu langsam geworden. Die Konkurrenz drohte zu überholen. Man probierte eine neue Organisationsform mit einem Pool von Entwicklern aus, die für kurze Zeit zu Teams zusammengestellt wurden, um sich auf die wesentlichen Projekte zu fokussieren. Das scheiterte an dem Unwillen der Entwickler, ihre Teams zu verlassen – dort hatten sie sich offenbar wohl gefühlt.
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Wenn die Hierarchie kommt
Die Konsequenz: Man führte eine klassische Führungsebene ein, die Teams bekamen Teamleiter und einen 90-Tage-Plan, für dessen Einhaltung die Mittelmanager nun verantwortlich sind. Außerdem musste ein Viertel der Mitarbeiter gehen, ein bitterer Schritt. Wobei einige der Geschassten offenbar heute ganz froh sind und die Freiheit genießen. Das Unternehmen ist zurück auf der Erfolgsspur, mit der Autonomie der Teams ist es vorbei – zumindest hat es den Anschein.
Etwas anders ging man bei der Hamburger Agentur Justblue Design mit dem Wachstum um. Der Anlass für einen ungewöhnlichen Schritt war, dass der Kreativ-Direktor am oberen Ende der Leiter angekommen war. Und offenbar kommt dann irgendwann der Moment, wo solche Leute sich selbstständig machen. Nicht so bei Justblue. Der Inhaber machte ihn zum Geschäftsführer und teilte die Mannschaft auf. Zellteilung nennt er den Prozess, an dessen Ende ein Teil der Mannschaft mit dem neuen Geschäftsführer ein neues Büro bezog. Letzterer hat nun alle Freiheiten, unternehmerisch selbstständig zu handeln mit der Option, Anteile an der neuen Zelle zu erwerben. Der Inhaber musste dazu in der Lage sein abzugeben. Und sich von diesem Moment an auch herauszuhalten, was ihm offenbar gelingt.
Die Mitarbeiter mussten natürlich auch mitspielen, und das fiel ihnen wohl deshalb leicht, weil in der Agentur das „Häuptling-und-Indianer“ Prinzip herrscht. Gemeint ist, dass hier die Mitarbeiter für bestimmte Zeit die Rollen tauschen können. Ein Designer kann in einem Projekt der Leiter sein, während der Kreativdirektor in diesem Projekt als Gestalter fungiert. So schlüpft jeder mal in die Chefrolle und gibt in dieser seinem Vorgesetzten Anweisungen. Das macht den Job abwechslungsreicher und jeder sammelt Erfahrungen in der Führungsrolle. Ganz witzig: Führungskräfte erleben es als „ganz entspannend, einfach nur auszuführen, statt immer zu bestimmen.“
Bei Jimdo wurde die Hierarchie eingeführt, bei Justblue zwar nicht abgeschafft, aber sie wird anders gelebt. Offenbar funktioniert beides.