PRAXIS: Kaum eine Mitarbeiterbefragung, in der nicht fehlende Wertschätzung beklagt wird. Niemand kann ohne Wertschätzung leben, wer es von sich behauptet, irrt vermutlich. Das sei in unserem Bedürfnis nach Zugehörigkeit begründet, lautet eine Hypothese (Methodisch wertschätzen). Dieses Bedürfnis ist sicherlich bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber auch beim eher Leistungsorientierten oder auch beim Macht- oder Status-Motivierten spielt Wertschätzung eine große Rolle. Ohne jemanden, der eine Leistung wahrnimmt und sie anerkennt oder der dem Mächtigen Ehrerbietung zollt, bleiben auch diese Bedürfnisse unerfüllt.
Das Thema ist also im Wirtschaftsleben angekommen und aktueller denn je, damit also zum „harten Thema“ geworden. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Geld als Ausdruck von Wertschätzung nur bedingt funktioniert. Zumal Geld kaum etwas darüber aussagt, was genau an einer Leistung, einer Person und ihrem Verhalten so sehr geschätzt wird.
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Nun ist das Phänomen bekannt, dass wir uns schwer tun, unsere Anerkennung, unsere Freude, unser Staunen oder was auch immer über das, was ein anderer geleistet oder getan hat, spontan auszudrücken. Es ist uns sogar mitunter etwas peinlich. Das Gleiche gilt für denjenigen, der diese Anerkennung erfährt. Standardantwort: „Ach, so toll war das doch nicht!“ oder „Ist doch nicht der Rede wert!“ oder „War doch selbstverständlich.“
Wenn es also nicht so einfach ist, Wertschätzung zu zeigen und entgegen zu nehmen, könnte man in Organisationen doch Gelegenheiten hierfür schaffen.
Sechs Rituale
- Einzel-Feedback: Einzelne Teammitglieder bitten jemanden aus dem Team um ein wertschätzendes Feedback. Hierfür gibt es einen kleinen Leitfaden: „Welche Eigenschaften schätzt du an mir?“ „Welche Eigenschaften von mir helfen dir, gute Arbeit zu leisten?“ „Erinnerst du dich an eine Situation, in der du mich als besonders hilfreich erlebt hast?“
Um diese Einzelgespräche anzustoßen, kann der Teamleiter mit gutem Beispiel vorangehen. Oder man setzt das Thema auf die Tagesordnung von Team-Meetings und fragt dort, ob jemand sich Feedback geholt hat und welche Erfahrungen man damit gemacht hat. - Wertschätzungsdusche: Dieses Format bedarf mehr Vorbereitung, es kann z.B. im Rahmen eines Workshops angeboten werden. Hier werden Paare gebildet, die sich 10 Minuten unterhalten und sich nach dem oben genannten Muster gegenseitig Feedback geben. Wichtig: Hier sollten alle freiwillig mitmachen, wenn jemand das nicht möchte, die Finger davon lassen.
- Wertschätzung am Board: Man erweitert das Arbeitsboard, auf dem die Aufgaben aller Teammitglieder beschrieben stehen, um eine Wertschätzungsspalte. Hier können Post-its angeklebt werden mit wertschätzenden Kommentaren („Cooles Projekt“ – „Danke für die Unterstützung“ – „Wunderbar gelassen geblieben“ …),
- Kudos Board: Man erstellt ein eigenes „Wertschätzungsboard“ – ob analog oder digital. Dort sind alle Mitglieder mit Bild vertreten, daneben kleben die „Kudos“ – gemeinsam erstellte Kärtchen mit positiven Kommentaren: „Hat mich sehr unterstützt“ – „Danke für die schnelle Hilfe“ – „Danke fürs Zuhören“ – „Trotz hoher Belastung den Humor nicht verloren!“ usw. Jede Karte ist mehrfach vertreten. Man verständigt sich darauf, einmal in der Woche / alle zwei Wochen / einmal im Monat die Karten zu vergeben. Dabei können diese natürlich erweitert werden, wenn jemand ein Erlebnis hatte, das noch nicht notiert wurde.
- Wertschätzungs-Retrospektive: Einfach mal im Rahmen einer Routine-Retrospektive sich auf die positiven Aspekte fokussieren. Also auch, wenn es schiefgegangen ist, nach dem Positiven im Negativen suchen und formulieren. Das ändert die Blickrichtung, mag vielleicht hier und da arg konstruiert wirken, aber reizt dann eher zum Lachen und sorgt dafür, dass die Stimmung nicht in den Keller geht.
- Schleimwoche: Für eingespielte und mutige Teams könnte das eine witzige Form sein: Eine Woche lang wird das Thema auf die Spitze getrieben. Die Regel lautet: Eine Woche lang wird jede Gelegenheit genutzt, um etwas Positives zu äußern. Ganz bewusst darf hier auch übertrieben werden.
Anerkennung feiern
Ich möchte etwas aus eigener Erfahrung ergänzen: Viele Menschen tun sich ja auch schwer, sich selbst gegenüber Wertschätzung zu zeigen. Warum also nicht mal in einem Meeting eine Runde einbauen, in der jeder über sich selbst etwas Positives sagt? Beginnend zum Beispiel mit „Ich bin stolz darauf, dass ich in der letzten Woche …“
(Nach: Tanja Föhr – Methodisch wertschätzen. managerSeminare, 12/2021, S. 52-57)