27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Hohes Verwirrpotenzial

INSPIRATION: Zwei Beiträge in der Wirtschaftspsychologie aktuell zeigen, wie kontrovers die Diskussion über neue Managementansätze verlaufen kann. Dies wirft die interessante Frage auf, ob es sich bei allen systemtheoretischen Überlegungen, agilen Ansätzen und New Work Modellen mehr um Glaube als um rational begründbare Methoden handelt.

Da ist zum einen der Beitrag von Axel Ebert (Agile Reformation), der in seinem Standpunkt schon den systemtheoretischen Beratungsansätzen „hohes Verwirrpotenzial“ bescheinigt. Und nun kommt die nächste Welle, jetzt ist plötzlich alles VUCA und die Heilsbotschaften kommen nun aus der Informatik und gar der Esoterik. Ihn erinnert all das an die Diskussion in der Medizin, wo die „alternative Heilkunst“ verspricht, ganzheitlich vorzugehen und damit „selbst zur Gefahrenquelle“ wird, „wenn Sachverstand gegen Wunschdenken eingetauscht wird.“


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Gemeint sind die Botschaften von Laloux (Reinventing Organizations), in denen die Erfolgsfaktoren eben Ganzheitlichkeit, evolutionärer Sinn und radikale Selbstfühung sind. Leider führen Experimente wie zum Beispiel der Umbau einer Organisation zur Holokratie keineswegs zum Paradies, sondern eher ins Chaos, wo Mitarbeiter überfordert sind und aus den Unternehmen fliehen – so offenbar bei Zappos.

Die Alternative?

Evidenzbasiertes Management, das sei eine „vielversprechende Alternative zu ideologischen Konzepten.“ Die Idee: Man möge doch prüfen, „welche Werkzeuge auch abseits der ideologischen Euphorie noch bestehen können.“

Tja, was mache ich denn nun als Unternehmer? Wenn man die Parallele zur Medizin hier mal fortführt: Ich bin hoch unzufrieden mit der Schulmedizin, weil sie mir nicht weiterhilft (so wie ich massiv frustriert bin, weil in der klassischen Organisation und im traditionellen Projektmanagement unfassbar viel Zeit in sinnlosen Abstimmungsprozessen und Genehmigungsverfahren verbracht wird und unfähige Führungskräfte den Menschen das Leben schwer machen). Dann kommt da jemand mit einem Heilsversprechen um die Ecke nach dem Motto: „Geh doch mal zum alternativen Mediziner“ („Versuch es doch mal mit Soziokratie / Holokratie / Scrum / agilen Teams / Selbstorganisation …“).

Was soll ich tun? Bei der Wissenschaft nachfragen, die dann feststellt: Es gibt keine Belege für die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln! (Es gibt keine Belege für die Überlegenheit selbstorganisierter Teams!) Aber ich bin immer noch unzufrieden? Dann werde ich wohl selbst experimentieren müssen.

Und es funktioniert doch

So wie es die Autorin des zweiten Beitrags gemacht hat (Chancen und Grenzen von Holacracy). Die Geschäftsführerin eines mittelständischen Beratungsunternehmens war beeindruckt von „Reinventing Organizations“, kam mit dem Konzept der Holokratie in Kontakt und startete in ihrem Unternehmen mit kleinen Schritten. Ganz spannend: Man führte die beiden Meeting-Formate (Tactical Meeting und Governance Meeting) als Rollenspiele durch und schaute sich gemeinsam das Regelwerk der Holokratie an. „Am Ende des Tages gab es keinen im Team, der sich nicht auf das auf zwölf Monate befristete Experiment einlassen wollte.“

Also startete man mit dem Tactical Meeting, das jeder mal moderieren konnte. Ein Junior-Consultant erwies sich dabei als besonders talentiert (und ich denke sofort: Allein das hat sich doch schon gelohnt – wo hätte er in der klassischen Hierarchie diese Chance bekommen?). Nach und nach führte man weitere Elemente ein.

Die wichtigsten Erkenntnisse

  • Die Trennung von Rolle und Mensch erwies sich als sehr hilfreich, weil viele Konflikte ihren Ursprung in Rollenkonflikten hatten.
  • Regelmäßige Teamevents sind wichtig, ebenso wie regelmäßige Feedback-Loops und monatliche Teamworkshops.
  • Nicht alle kommen mit dem hohen Autonomiegrad klar, vor allem, wenn es an Fähigkeiten und Wissen fehlt (aber diejenigen haben auch in der klassischen Organisation ihre Probleme).
  • Der Wert von Mentoring und Coaching wurde am Anfang stark unterschätzt, hier ist die Passung enorm wichtig.
  • Ganz entscheidend ist, ob sich die Mitglieder der Teams mit dem Sinn und Zweck eines Kreises identifizieren„nur dann sprudeln die Ideen …“ (ist das nun esoterisch oder nur gesunder Menschenverstand?)
  • Sie als Geschäftsführerin bemerkt (noch) nicht die erhoffte Entlastung von Führungsaufgaben. Und nicht immer gelingt es ihr, loszulassen und „einfach nur zuzuschauen.“
  • Highlights sind die Meetingformate – das gesamte Kommunikationsverhalten des Teams hat sich verbessert und die Treffen sind hochgradig effektiv. Schöne Erkenntnis: Es ist ungemein angenehm, „wenn man nicht um seinen Redeanteil kämpfen muss und wenn jede Stimme gehört wird.“

Ihr Fazit: „Unsere Reise geht auf jeden Fall weiter,“ auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt. So wie der Anhänger der Homöopathie glücklich mit seinen Kügelchen ist? Oder hinkt der Vergleich dann doch?

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