11. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

„Ich sprüh′s auf jede Wand“ (Ina Deter)

INSPIRATION: Ist der Legehennen-Mythos in der Arbeitswelt nicht immer noch tief verinnerlicht? Ihr sollt arbeiten, nicht denken! Ok, vielleicht nicht ganz so krass gemeint wie von mir formuliert. Und schließlich mit einer großen Ausnahme versehen: Wenn die Mitarbeitenden – im Rahmen des von oben Gewünschten – denken: Kreativität, die Innovation bringt. Aber dann sollen sie auch bitte schön zügig goldene Eier legen.

Marcus Raitner (Führung menschlich machen) löckt in managerSeminare gegen den Stachel und plädiert für eine „artgerechte Arbeit“ – so lautet jedenfalls die Dachzeile seines Beitrags. Und illustriert ist dieser mit einem Vogelkäfig, dessen Tür allerdings nicht offensteht.


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Vielleicht sollte diese Bildmetapher, die auch das Cover ziert, aber auch noch zum Beitrag von Wolf Lotter („Socializing im Büro macht nicht kreativ“) passen. Der Kolumnist und Mitgründer von Brand eins bringt in seiner „Speaker’s Corner“-Kolumne das Beispiel der Komödie „Truman Show“ (1998). Der Held des Werkes ist ein Versicherungsangestellter (Kafka lässt grüßen!), der – ohne es zu wissen – im Mittelpunkt einer Realityshow steht. Seine ganze Welt ist ein einziger Fake. Er weiß es bloß nicht, dass seine Welt überdacht unter einer riesigen Kuppel stattfindet. Als er dessen gewahr wird, bricht er aus.

Raus aus dem Quark

So viel zur Metapher des Vogelkäfigs und dem alten aufklärerischen Motto, seine Unmündigkeit aufzugeben. Dieses Motto zieht sich hier durch. Und eben auch durch die Arbeitswelt. Neben Kafka könnte man zudem Marx und Engels (Das kommunistische Manifest), aber auch Charlie Chaplin (Modern Times) zitieren. Und Autor Raitner ist sich dessen gleichfalls bewusst, dass er im Kern nichts Neues erzählt. Mit seinem Manifest für menschliche Führung stellt er sich eindeutig in diese Tradition, und fügt noch Peter Drucker (Partner auf Augenhöhe), Douglas McGregor (Theory X & Y) sowie Taiichi Ohno (Toyota) an – und natürlich das Manifest für Agile Softwareentwicklung.

Raitner spuckt nicht nur große Töne. Er hat auch etwas zu sagen. Und ich erinnere mich an meine leichte Häme, mit der ich zuletzt ein Interview mit ihm kommentiert habe (Agilität mit Stützrädern). Hier in managerSeminare liefert der Autor noch ein wenig biografischen Kontext zum Verständnis an. Etliche Anekdoten illustrieren seinen Weg vom Geschäftsführer eines jungen, agilen Startups in die Konzernstrukturen von BMW – und wieder heraus. „Die Art, wie Arbeit dort organisiert und Führung praktiziert wurde, war eben (…) nicht menschlich“. Mit seinen Qualitäten, seinen Interessen und seiner Persönlichkeit konnte er sich dort – zum eigenen sowie zum Vorteil des Unternehmens – nicht entfalten.

Das Manifest für menschliche Führung

Raitner legt sechs Thesen für die Arbeitswelt vor und stellt ihnen zudem entsprechende Prinzipien zu Seite. Es geht ihm darum, dass „Mensch-sein-Dürfen und Gewinnstreben kein Widerspruch sind“. Nichts anderes hatte vor 64 Jahren schon Douglas McGregor mit seiner Theorie Y behauptet. Raitners Manifest folgt formal streng der Diktion des agilen Manifests:

  1. Entfaltung menschlichen Potenzials – mehr als Einsatz menschlicher Ressourcen. Gärtnern statt Schach spielen (Prinzip #3), nennt sich diese Führungsüberzeugung.
  2. Diversität und Dissens – mehr als Konformität und Konsens. Leute, lernt Dissens auszuhalten (Prinzip #5)! Schafft dafür einen geschützten Raum. Ihr benötigt dafür gleichermaßen Organisationsrebellen wie Psychologische Sicherheit.
  3. Sinn und Vertrauen – mehr als Anweisung und Kontrolle. Führungskräfte sollen Kontext liefern, statt Kontrolle auszuüben (Prinzip #2). Wenn Mitarbeitende die richtigen Informationen haben, können sie sich selbst organisieren.
  4. Beiträge zu Netzwerken – mehr als Positionen in Hierarchien. Statt Ansagen zu machen, wie man das klassischerweise von Führungskräften erwartet, sollen sie lernen, Fragen zu stellen. Das (Prinzip #1) ermöglicht Demut und einen Dialog auf Augenhöhe sowie einen Beziehungsaufbau – ganz im Sinne von Ed Scheins „Humble Inquiry“.
  5. Anführer hervorbringen – mehr als Anhänger anführen. Auch hier der Verweis auf Prinzip #2: Kontext liefern, statt Kontrolle auszuüben.
  6. Mutig das Neue erkunden – mehr als effizient das Bekannte ausschöpfen. Für Störung sorgen (Prinzip #4), lautet daher die Anregung für Führungskräfte. Und es sich nicht in der Komfortzone gemütlich machen.

Blaue oder rote Pille (Matrix)

Solches fügt sich nahtlos in den Reigen anderer Konzepte ein. Man denke an die Ausführungen von Carsten Schermuly zur „Gestaltung guter Arbeit“ (Mit Empowerment zu New Work). Oder Hans Rusineks „Work Survive Balance“ (Neuer Arbeitsethos). Ebenfalls wäre Thomas Sattelbergers „Gegen Mittelmaß und Abstieg in Politik und Wirtschaft“ (Nach uns die Sintflut?) zu nennen. Von ihm stammt auch der Imperativ: Der Reden haben wir genug gehört, fangt endlich an, wartet nicht! – Oder stammt der gar nicht vom ehemaligen FDP-Politiker, sondern vom Philosophen Karl Marx? Manchmal weiß man schon gar nicht mehr, wer …

Oder doch lieber die grüne Variante (von Kleist)?

Ok, alle stimmen ein in denselben Refrain! Und ich wechsele zur Abwechslung mal die Argumentation: Vielleicht ist das wichtig, dass man das (gleiche) Lied immer und immer wieder hört. Dass die Stimmen nicht verstummen: Lotta Continua! Von wem stammt denn gleich noch dieses Zitat …?

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