21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Identity Leadership

KRITIK: Gegensätzlicher können die Ansätze nicht sein, die am Ende das Gleiche erreichen wollen. Es geht darum, dass Organisationen vor allem dann erfolgreich sind, wenn ihre Mitglieder eine gemeinsame Identität entwickeln, ein gemeinsames Ziel verfolgen – sich also als Gemeinschaft verstehen. Aber wie ist der Weg dorthin?

Der Harvard Business Manager hat ein Sonderheft zum Thema „Team“ herausgegeben, darin ist ein Beitrag über „Identity Leadership“ zu finden (Wie ein Wir entsteht). Schon bei der Einleitung sträubten sich mir die Nackenhaare. Es wird auf ein altes Video verwiesen, in dem Steve Ballmer von Microsoft auf der Bühne herumtanzt und brüllt „I love this company!“. Und die Mitarbeiter jubeln. Es folgt Steve Jobs mit seinen legendären Präsentationen und schließlich sogar Donald Trump mit seinen „Ansprachen“.


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Wie sich Leader verhalten sollen

Was sollen diese „Leader“ und ihr Verhalten gemeinsam haben? Es gelingt ihnen, „in perfekter Weise Teil ihres Publikums zu werden.“ Sie geben ihren „Anhängern“ das Gefühl, „ein großes Ganzes zu sein.“ Genau das soll „Identity Leadership“ leisten: Teams oder Belegschaften zu helfen, eine Identität zu entwickeln, also zu wissen, wofür man steht, was sie als Team auszeichnet und wodurch es sich von anderen unterscheidet. Solche Teams, so hat man in vielen Metastudien herausgefunden, leisten mehr, sind bereit, die „Extrameile“ zu gehen, sind zufriedener usw. 

Diese Art der Führung ist aktuellen Modellen überlegen, sie macht vermutlich sogar auch deren Erfolg aus. Ob das nun der transformationale, der authentische oder der beziehungsorientierte Führungsstil ist. Und was tut ein „Identity Leader“? Er ist prototypisch für sein Team, soll heißen, er verkörpert das Ideal der Gruppe. Er verteidigt die Interessen des Teams nach außen und setzt sich zum Beispiel bei Budgetverhandlungen für sein Team ein. Und er schafft Gelegenheiten, in denen sich die Mitglieder der Identität bewusst werden, zum Beispiel auf der „guten alten Weihnachtsfeier“.

All das kann man lernen, und die Autoren haben dafür auch ein Trainingskonzept entwickelt, das 5R-Programm (steht für Readying, Reflecting, Representing, Realizing und Reinfording). Großartig.

Weniger Führung statt mehr

Klinge ich sarkastisch? In der Tat ist das so weit weg von meinem Verständnis von Führung, dass ich gar nicht anders kann. Zum Glück gibt es in dem Heft auch einen Beitrag von Altmeister Henry Mintzberg (Führung neu definieren). Auch hier wird beklagt, dass „sich Mitarbeiter immer seltener zu etwas Größerem zugehörig fühlen und sich dafür einsetzen“. Was er unter anderem auf das kurzfristige Profitdenken in den Unternehmen zurückführt, auf Manager, die in ihren schönen Büros saßen und Ziele verkündeten, „die andere für sie erreichen sollten.“

Und wenn das nicht so fluppte, dann hat man mit Einzelprämien und Bonus-Programmen den Menschen Beine gemacht. Zu dumm, dass dabei die Nebenwirkungen nicht beachtet wurden. Vor allem aber: Es konnte sich kein übergeordnetes Sozialgefüge entfalten, der „Kitt, der uns zum Wohle des Großen und Ganzen zusammenhält“.

Mintzbergs Lösungsansatz

Unternehmen sollten danach trachten, auf den Überresten einer Gemeinschaft, die noch in jeder Organisation stecken (sonst wären sie schon auseinander gefallen), aufzubauen. Es gibt sie, zum Beispiel die Wissenschaftler, die trotz allen Profitstrebens noch unverdrossen an Lösungen arbeiten. Mintzberg glaubt, dass diese Überreste vor allem im Mittelmanagement zu finden sind, wo Menschen arbeiten, die noch viel über das Unternehmen wissen und sich für seinen Erfolg einsetzen. Was übrigens die Antwort auf die Frage ist, warum manche Konzerne überhaupt noch funktionieren.

Praktisch sieht das so aus, dass man die Gemeinschaft, das Wir-Gefühl, aus diesen kleinen Zellen heraus entwickelt. Man kann diese Mittelmanager zusammen bringen, damit sie ihre Erfahrungen austauschen, kleine Initiativen entwickeln, die Schule machen und sich im Unternehmen ausbreiten. Vor allem aber: Sich vom heroischen Management verabschieden und auf ein bescheidenes Management umschwenken, das sich auf ein Mindestmaß an Führung beschränkt. Viel zu lange hat man sich auf die Rolle des Managers als Held, als Macher konzentriert und nach dem gesucht, was ihn erfolgreich macht.

Ein krasser Gegensatz zu dem, was im ersten Beitrag gefordert wird, oder? Da werden uns tatsächlich Ballmer, Jobs und Trump als Vorbilder genannt, die dafür sorgen, dass ihnen ihre Gefolgschaft zujubelt. Und in Aussicht gestellt, dass man dieses Identity Leadership lernen kann. Es wird wohl noch ziemlich lange dauern, bis dieser Glaube an die „wahre Führung“ ausstirbt …

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