INSPIRATION: Ich lerne nach und nach, welche Möglichkeiten uns künstliche Intelligenz eröffnet. Diesmal geht es um deren Einsatzmöglichkeiten beim Lernen. Das eine oder andere klingt spannend, aber insgesamt ist das alles noch ziemlich dürftig.
Und es erinnert mich stark an die Versuche, „Wissen zu managen“. Denn irgendwie läuft es immer wieder darauf hinaus, den Menschen am Arbeitsplatz die Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um ihren Job möglichst effektiv zu bewältigen. Nehmen wir als Beispiel Menschen, die in der Touristikbranche arbeiten (KI-ready). Wer dort arbeitet, sollte schon ein umfangreiches Wissen über Geografie besitzen. Früher haben wir in Erdkunde Hauptstädte und Flüsse auswendig gelernt, habe ich noch mit meinen Kindern geübt.
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Was machen also Weiterbildungsexperten in den Unternehmen? Sie entwickeln Lernprogramme, und diese sollen mehr können als klassische Lehrbücher, die Informationen zur Verfügung stellen, die dann gepaukt und anschließend abgefragt werden. Die Idee ist nämlich, dass der Lernende die Information dann präsentiert bekommt, wenn er sie benötigt. In der sicher berechtigten Hoffnung, dass er sie dann eher behält, als wenn er auf Vorrat paukt. „Arbeitsplatzintegriertes Lernen“ heißt der Trend.
Teurer Spaß
Das Problem bei den Lernprogrammen: Sie sind sehr teuer in der Herstellung. Aber noch viel schlimmer: Die User greifen lieber auf Google oder Wikipedia zurück, wenn sie ein bestimmtes Wissen benötigen. Die Lernprogramme schlummern also ungenutzt vor sich hin, genauso wie viele Informationen, die im eigenen Intranet zur Verfügung stehen. Was nun?
Jetzt kommt die künstliche Intelligenz zu Hilfe. Ein Tutor-Bot stellt sich den Fragen der Mitarbeiter und beantwortet sie. Dabei nimmt er ihnen die Arbeit des Suchens ab, denn er durchforstet interne und externe Quellen nach den relevanten Informationen und ist vermutlich viel schneller als der Mensch, wenn er recherchiert. Das gilt vor allem für weniger komplexe Probleme, und „so bleibt mehr Zeit für intensive Entwicklungsgespräche mit dem menschlichen Mentor“, der ja nicht mehr mit fachlichen Themen belastet werden muss.
Wobei solche Programme natürlich schon viel mehr können, so ganz verzichten auf klassisches Lernen möchte man schließlich nicht. Die Software erkennt die Wissenslücken (ist ja klar: Wenn jemand etwas sucht, weiß er es offenbar nicht selbst, also hat er eine Wissenslücke), bastelt daraus Lernmodule, überprüft durch Fragen das Gelernte und gibt anschließend Tipps, welche Themen der Lernende wiederholen soll.
Persönlichkeitsentwicklung
Es geht noch weiter: Digitale Coachs sollen die Mitarbeiter nicht nur in fachlichen Kompetenzen unterstützen, sondern auch bei der Persönlichkeitsentwicklung. Sie stellen Reflexionsfragen wie echte Coachs, geben Tipps für Präsentationen und gegen Lampenfieber. Oder raten dem Hilfesuchenden auch mal, sich an einen Kollegen zu wenden. Da kann man sich den Coach auch für die wirklich gravierenden Probleme aufheben.
Und schließlich die Krönung: Face-Reading. Soll in China schon zur Anwendung kommen. Der Lernende wird hinsichtlich seiner Mimik analysiert. Schaut er ratlos oder gelangweilt drein, reagiert der Algorithmus und passt die Präsentation an. So wird der Lernstoff weiter „personalisiert“.
Ein klein wenig erinnert mich das an die ersten Versuche mit Sprachlaboren. Da wollte man den menschlichen Lehrer ersetzen durch Maschinen, ist irgendwie aus der Mode gekommen, oder? Liegt das nun daran, dass die Technik oder der Mensch einfach noch nicht reif genug waren? Oder weder noch?
Was ich für mich auch noch nicht klar kriege: Ist es nun besser, wenn ich nur noch eine Frage stelle und die Antwort präsentiert bekomme statt selbst zu recherchieren? Meine Idee wäre, dass ich viel mehr lerne, wenn ich mir die Mühe selbst mache. Da die Entwickler dieser Lernprogramme offenbar nach wie vor davon ausgehen, dass Wissen auch abgefragt werden muss, scheinen sie ja nicht so recht an das „Lernen durch Tun“ zu glauben. Schade eigentlich.
Ein Chatbot namens CARL
Etwas handfester geht es da bei Siemens zu. Dort haben Mitarbeiter von HR und IT-HR eine Plattform namens CARL (Cognitive Advisor for interactive user Relationship & continuous Learning) gebaut – übrigens in erstaunlich kurzer Zeit dank eines dreiwöchigen Hackathons und eines anschließenden dreimonatigen agilen Projektes. Wobei das Programm zu diesem Zeitpunkt natürlich erst wenige Inhalte beherrschte.
Worum geht es? Die Idee ist, dass Mitarbeiter weltweit in ihrer Sprache Fragen zu HR-Themen stellen können, die dann von einem Chatbot beantwortet werden. Und nicht nur das, der Mitarbeiter kann dem Chatbot auch Informationen zukommen lassen (z.B. „Hallo Carl, meine neue Adresse lautet …“) und das wird dann sofort in die Daten des Mitarbeiters übernommen.
Das Ergebnis ist also ein virtueller Personaler, der niemals antworten wird, dass er nicht zuständig sei, sondern zu allen Themen die gesuchte Antwort gibt. Und das eben weltweit, angepasst an die jeweilige Situation vor Ort. Klingt nach einem großen Projekt und erinnert auch wieder an das, was mal „Wissensmanagement“ hieß. Aber egal, wenn es denn funktioniert, kann sich der Personaler vielleicht wirklich den Menschen und ihren komplexeren Anliegen widmen. Mit Lernen und Personalentwicklung, auch wenn „continuous learning“ im Namen steckt, hat das allerdings auch wenig zu tun.