27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Vom Kopf auf die Füße?

INSPIRATION: Man stelle sich einmal vor, dem Unternehmen kommt die Zentrale abhanden. Also räumlich betrachtet. Solches gibt es jetzt im Bankensektor. Wobei – schade um die tolle Skyline in Frankfurt und die fantastische Aussicht dort „from the top“.

„Banking is necessary, banks are not“: Im Jahre 1994 hat Bill Gates diesen Ausspruch getätigt. Heute, 30 Jahre später, haben erste Pioniere die radikale Konsequenz daraus gezogen. Das ist doch beeindruckend! Also auch, dass es 30 Jahre gedauert hat. Welches Tempo doch der Fortschritt hat …


Anzeige:

Machen Sie Ihr Unternehmen zukunftssicherer: Lesen Sie "Bright Future Business", das neue Buch von Prof. Dr. Pero Mićić. Erfahren Sie, welche acht Eigenschaften ein zukunftssicheres Unternehmen ausmachen und wie man sie als Masterplan für die Entwicklung des eigenen Unternehmens wie auch als Checkliste für Investments nutzt. Zum Buch...


Aber auch dass eine deutsche Bank, die Sparda-Bank Berlin, hier sich als Pionier rühmt. Autor Frank Kohler (Von der Bankzentrale zum dezentralen Netzwerk) ist deren Vorstandsvorsitzender und berichtet über die Umstellung. Auslöser war – da schau an: nicht das Bill-Gates-Zitat, sondern – die Pandemie. Die Bank verlagerte das Geschäft zunehmend in digitale Kanäle. Was eben Homeoffice bedeuten konnte für Mitarbeitende, aber auch mobiles Arbeiten. Oder solches im Coworking Space. Oder in irgendeiner Filiale. Und während man das so praktizierte, stellte man fest, und offensichtlich musste man massiv das Tabu verbalisieren: Brauchen wir eine Zentrale?

Dezentrale Präsenzstrategie

Die Antwort war ein klares Nein. Wenn man nicht nur von der eigenen Vereinbarkeit von Arbeiten und Freizeit ausging, den vergeudeten Tankfüllungen und Stunden im Stau, sondern radikal vom Kunden herdachte. Zunächst testete man das in Ostdeutschland mit 400, später waren dann 800 Mitarbeitenden mit von der Partie. „Einzelne strategische Standorte wurden in moderne Begegnungsstätten umgewandelt, die nicht nur klassische Beratungsangebote für die Kundschaft bieten, sondern auch Konferenzräume, Veranstaltungsflächen und Einzelarbeitsplätze für jene Mitarbeitende in den zentralen Bereichen, die durch den Wegfall der Zentrale ihr Büro verloren.“

Die Idee gefällt mir: Wenn Platz im Hochregallager frei bleibt, könnte man doch auch Kartoffeln statt Autozubehör einlagern. Und sind die Kartoffeln erst einmal da, werden sie auch gegessen. Seien wir mal ehrlich: Wer braucht diese Räume mit Geldautomaten und Kontoauszugdrucker – außer den Obdachlosen zum Übernachten? Wenn wir also keine Banken mehr brauchen, können wir deren Räume auch umbauen und anderweitig nutzen. Als Café beispielsweise oder Veranstaltungsräumlichkeiten, in denen Lesungen oder Konzerte stattfinden. Treffpunkte eben – mit Hinterzimmern, in denen man sich dann separieren kann. Ist das nicht alte wienerische Tradition? Und kennen wir das nicht aus Großgruppenkonferenzformaten wie dem World Café?

Die beste Version der Bank

Das Unternehmen wird hybrid. Na ja, teilhybrid. Irgendwo müssen die Rechner noch stehen. Und die Akten – werden digitalisiert. Was für eine schöne, staubfreie Vorstellung. Vorstand Kohler berichtet en détail über die Umstellung. Und da lauern allerlei Fragestellungen – wie beispielsweise die Arbeitsstättenrichtlinie. Aber es stellt sich auch die grundsätzliche Frage: Wie managt man das insgesamt? Die Antwort: Die Sparda-Bank Berlin hat 2012 ein bis heute stabiles Wertegerüst entwickelt, was verlässlich und einklagbar den Halt in sich ansonsten dynamisch verändernden Anforderungen gibt.“ Alle Inhalte können zur Disposition stehen, aber nicht die Art und Weise, wie man auf Anforderungen reagiert.

Und der Vorstand stellt klar: „Die Abschaffung der Firmenzentrale ist kein Cost-Cutting-Programm der Sparda-Bank Berlin. Die eingesparten Kosten wurden bzw. werden gewinnbringend auf Kundenseite investiert.“ Man hat beispielsweise die Beratungszeiten erweitert und die Beratungskanäle. Und digitale Dienstleistungen wurden eingeführt. Alles schön und gut, denke ich mir. Doch meine Mutter hätte sich dem prinzipiell verweigert. Sie hätte weiterhin Überweisungsträger aus Papier ausfüllen wollen. Hätte man sie verloren? Autor Kohler kontert, dass sich die Bedürfnisse der Kundschaft sehr unterschiedlich darstellen würden. Stadt versus Land beispielsweise. „Unsere Erfahrungen im täglichen Umgang mit Kundinnen und Kunden dienen als kontinuierliche Lernquelle.“ Er kannte wohl meine Mutter nicht. Sie gehörte eben nicht zu den 70 Prozent Kund:innen, die Online-Banking nutzen. Und eine Online-Banking-Schulung hätte sie auch nicht besucht. Eine „biologisches“ Problem?

Struktur und Kultur

Interessant finde ich noch die Hinweise zum kulturellen Wandel. Die Flächenbank ohne Zentrale führt zu mehr interdisziplinärer Kooperation. Da scheinen sich dann die unterschiedlichsten Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu treffen. Controller, trifft Personaler oder „einfachen“ Kundenberater … Wie man weiß, lebt die eine oder der andere schon mal in ihrer/seiner eigenen Welt. Wie viele spannende Gespräche, Erkenntnisse oder sogar Transfer da stattfinden, wird im Beitrag leider nicht ausgeführt. Da würde ich gerne einmal Mäuschen spielen. Denn von Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung liest man im Beitrag nichts. Auch nichts von organisationalen Veränderungen (Agilität oder New Work).

Der Vorstand betrachtet naturgemäß eher die großen Fluchten: „Der Wegfall der Zentrale ist daher nicht nur ein symbolischer Akt, sondern impliziert eine strategische Neuausrichtung, die die Bank mit ihrem menschenzentrierten Geschäftsmodell in ein neues Zeitalter führt.“ – Ich weiß, der Ausblick von der Aussichtsplattform des Maintower ist wirklich grandios.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert