PRAXIS: Mitarbeiter, die offenbar nicht anders können, als ständig Höchstleistung zu erbringen, bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten und permanent an ihre Grenzen gehen, müssen nicht motiviert werden. Hintergrund ist ein ständiger Selbstzweifel, der seinen Ursprung in der Kindheit hat. Dort hat sich ein einfaches Muster eingebrannt: „Ich werde nur geliebt bzw. anerkannt, wenn ich Top-Leistungen bringe.“
Dieser „Wenn-dann-Zusammenhang“ basiert wie viele Glaubenssätze auf dem magischen Denken von Kindern. Unabhängig davon, ob es jemals eine Kausalität gab, wirken diese Sätze und fungieren unbewusst als Treiber (Gesunder Glaubenswechsel).
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Es gibt Organisationen, die solchen „unsecure Overachievern“ ein ideales Biotop bieten, z.B. Anwaltskanzleien, Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften u.a. Tatsächlich erfolgt dort auch die Anerkennung in Form von Beurteilungen, positivem Feedback und Aufstieg bis zur Partnerschaft. Dann könnte das Selbstbild sogar so stabil werden, dass sie irgendwann nicht mehr das Gefühl haben, ständig um Anerkennung kämpfen zu müssen.
Wechsel des Biotops
Was aber, wenn sie in eine Umgebung wechseln, in der ihnen diese Anerkennung versagt wird? Zum Beispiel, wenn Berater als Führungskräfte in einen Konzern wechseln? Dort gibt es zwar schöne Titel und große Büros, aber mit der Anerkennung und den Gestaltungsmöglichkeiten ist es nicht weit her. Dann „powern sie weiter“ und weiter mit dem Risiko, gesundheitliche Schäden davon zu tragen.
Hier kann Coaching helfen, indem es an dem ursprünglichen Glaubenssatz ansetzt. Der Coach muss dafür nicht einmal in der Kindheit danach suchen, weil es gar nicht so viele Kombinationen von“ wenn-dann“-Verbindungen bei diesen „Overachievern“ gibt. Das erwähnte Grundmuster – „Nur wenn ich gut bin, werde ich geliebt“ – findet sich meist als negativ formulierte Bedingung: „Wenn ich nicht gut bin …, nicht besonders bin …, nicht stark bin …, nicht klug bin …, nicht hilfreich bin …“ mit einer individuell variierenden Konsequenz: „dann werde ich nicht geliebt …, nicht beachtet …, ausgestoßen …, klein gemacht …, vergessen usw.“
Interessant ist, woran der Coach erkennen kann, ob ein solcher Satz zutrifft, nämlich daran, dass er ein bestimmtes Gefühl auslöst. Karsten Drath beschreibt es als „Mischung aus Erkennen und Unwohlsein,“ so wie wenn „man bei etwas Peinlichem ertappt“ wurde.
Komische Gefühle
Um diesem Glaubenssatz seine Macht zu nehmen, gilt es, ihn durch einen anderen zu ersetzen, der den gleichen Nutzen stiftet, aber weniger kostet. Was voraussetzt, dass man genau diese Funktion des alten Glaubenssatzes erkennt und auch anerkennt. Er hat ja dafür gesorgt, dass man lange Zeit die erwünschte Aufmerksamkeit erhalten hat, aber zu einem (zu) hohen Preis.
Wie also, so die Herausforderung, kann jemand diese Anerkennung erhalten, ohne den bisherigen Aufwand treiben zu müssen? Womit Anerkennung dabei von innen kommen sollte, so dass der Betreffende nicht mehr auf die Zustimmung von außen angewiesen ist.
Die Antwort lautet, etwas zu finden, dass dem Overachiever noch wichtiger ist als seinen bisherigen Glaubenssatz zu leben. Ob das Werte wie Gestaltung, Gerechtigkeit, Freiheit oder welche auch immer sind – der neue Glaubenssatz sollte eine Herausforderung enthalten, die zu bewältigen ist, und er sollte kraftvoll sein.
Zum Beispiel: „Wenn ich etwas Neues gestalte, erfüllt mich das mit Stolz.“ Der neue Glaubenssatz wird nun eingeübt, indem er aktiv formuliert wird, aufgeschrieben, sichtbar irgendwo angebracht wird.
Woran erkennt der Coach, dass der neue Satz der richtige ist? Wieder an einem bestimmten Gefühl beim Coachee, nämlich einer Mischung aus „Erkennen und leichter Furcht.“
Der Beitrag ergänzt sich gut mit dem Artikel von Roland Kopp-Wichmann (Coaching mit Lebensthemen) über das Erkennen und Konterkarieren von Glaubenssätzen, wobei mir der Ansatz, den neuen Satz in einem Zustand von Achtsamkeit und Entspannung zu trainieren, erfolgsversprechender erscheint als ihn sich immer wieder vorzusagen.