27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ist Zeit Geld?

INSPIRATION: Der Satz soll von Benjamin Franklin stammen: „Zeit ist Geld“ (Ratschläge für junge Kaufleute), und die meisten von uns haben ihn verinnerlicht. Fatal, wie die Autoren in der managerSeminare finden, denn die Vorstellung führt dazu, dass wir durch’s Leben hetzen und uns an seinem Ende fragen, wo die Zeit geblieben ist (Wider den Zeitirrsinn).

Dazu gibt es ein Experiment, bei dem Forscher eine Gruppe von Studenten erst befragten, wie glücklich sie sich aktuell fühlten. Dann sollten sie eine Prognose abgeben, wie viel sie in ihrem ersten Job wohl verdienen würden und wie hoch ihre Arbeitszeit sein würde. Anschließend durften sie sich zehn Minuten frei im Internet aufhalten, wobei die eine Hälfte zuvor den Auftrag bekam, ihren zukünftigen Stundenlohn zu berechnen. Siehe da: Diejenigen, die ihre Zeit in Geld „umgerechnet“ hatten, waren deutlich weniger glücklich über die „freie“ Zeit“. Das gleiche Ergebnis zeigte sich, nachdem die Probanden zehn Minuten lang beschwingende Musik vorgespielt bekamen (Time, money, and happiness).


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Wer also mit dem Gedanken aufwacht: „Nutze die Zeit, denn Zeit ist Geld“, dem fällt es deutlich schwerer, „freie“ Zeit zu genießen. Mehr noch: Er wird versuchen, Dinge immer schneller, effizienter zu bewältigen, oder in die vorhandene Zeit immer mehr Aufgaben zu packen, möglicherweise Dinge sogar gleichzeitig zu bewältigen. Wenn er dann abends auf den Tag zurückblickt, wird er einerseits feststellen, dass er viel (im Sinne von viel Geld) aus seiner Zeit gemacht hat. Aber er wird sich sehr schwer tun, sich Pausen zu gönnen, denn diese sind ja dann verschwendete Zeit. Und selbst wenn er sie sich erlaubt: Genießen kann er kaum – siehe oben.

Wie wäre es also, uns mehr von dieser „freien“ Zeit zu gönnen? Indem wir zum Beispiel auf Teilzeit gehen, was offenbar immer mehr Menschen anstreben? Schöne Idee, aber viele haben den Satz „Zeit ist Geld“ so verinnerlicht, dass er auch dann seine Wirkung nicht verfehlt. Wir denken weiter, dass Zeit ja „wertvoll“ ist, und packen uns dann in die neu gewonnenen Zeit wieder alle möglichen Dinge, um sie zu nutzen. Wir machen konkrete Pläne, was wir alles erledigen wollen, nutzen alle möglichen Apps, die uns dabei helfen, und wundern uns, dass die Zeit am Ende doch nie reicht. 

Tipp der Autoren in der managerSeminare: Wir sollten den Gedanken neu formulieren in „Zeit ist Leben“. Geld können wir ersetzen – jeden Euro neu verdienen, aber Zeit nicht – sie ist einmalig. Sie findet wie das Leben in diesem Moment statt, packen wir sie voll, verschwenden wir sie eher als dass wir sie zum Leben nutzen.

Klingt erst mal nachvollziehbar, aber das Umdenken ist alles andere als einfach. Denn wie lässt sich Zeit genießen, wenn man immer daran denkt, was man mit ihr im gleichen Moment noch alles anfangen könnte? Ich kann mich an dem Moment erfreuen, in dem die Sonne durch die Bäume scheint und gleichzeitig denken, dass ich gerade einen noch viel schöneren Moment verpasse. Und das vermiest mir dann wieder den Augenblick.

Zwei Anregungen aus dem Beitrag: Pausen machen. Wir machen viel zu wenig Pausen, eben weil wir damit natürlich wieder Geld verschwenden. Aber Pausen sind nur scheinbar „verlorene“ Zeit, unser Gehirn ist in ihnen mächtig aktiv – wir sehen anschließend klarer, fühlen uns körperlich und geistig frischer. Vorausgesetzt, wir hetzen in der Pause nicht mal irgendwohin, um noch schnell etwas zu erledigen.

Wartezeit genießen – oh weh, da fühle ich mich mal so richtig ertappt. Ich habe immer etwas zu lesen dabei, es könnte ja eine lästige Wartezeit eintreten. Und die nutze ich natürlich produktiv. Habe ich mal keinen Lesestoff mit und muss irgendwo warten, ärgere ich mich. Statt das zu tun, was die Autoren empfehlen: Die geschenkte Zeit tatsächlich als Geschenk verstehen, „Ausflüge in die Reiche der Fantasie, des Vorstellungsvermögens und der Ideenkraft“ zu unternehmen“. Einfach in der Zeit zu verweilen, mich treiben zu lassen. Warten eben nicht als verlorene, sondern als gewonnene Zeit zu betrachten. Wir dürfen sie eben nicht umrechnen in Euro. Oder in andere entgangene „Werte“…

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