INSPIRATION: Führung ist anspruchsvoll, sie verlangt eine ausgeprägte Kompetenz, exzellente Kommunikation und zielorientiertes Navigieren. Da wird kaum jemand widersprechen. Es braucht wahre Helden für diesen Job, sagen etliche Zeitgenossen. Doch Joachim Freimuth (Zwischen Tür und Angel – Führungskräfte als Minimalisten) entmystifiziert diese Heroisierung und die damit verbundene latente Überforderung, indem er auf den „Widerspruch zwischen den großen Entwürfen und dem täglichen Feuerlöschen“ verweist: Nach ganz fest kommt ganz locker, weiß schon der gewöhnliche Heimwerker. Der Autor dreht den Plot und macht ihn unglaublich leicht: „Je beiläufiger und zufälliger Führungskräfte [agieren], je besser die Ergebnisse und umso mehr wird die eigenständige Problemlösungsfähigkeit eines Systems nach und nach entwickelt.“ Was keine Aufforderung zum Schludern (laissez faire) sein soll. Sondern zum entspannten, klugen und minimalistischen Führen: „Zurückhaltung [öffnet] Räume für Lösungen, die eh nur auf Dauer die jeweiligen Experten liefern können.“
Wie führt man nun klug? Der Autor nimmt so einige Anleihen bei Philosophen vor, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen. Aber, so viel sei verraten: Der Einsatz von Sprachspielen ist ein entscheidender Hebel. Es irrt allerdings derjenige, der hier an die schlichten Spielchen aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) denkt. Vielmehr geht es um Metasprachspiele (Wittgenstein), die den Sinn haben sollen, die Kommunikationskompetenz in der Arbeit zu pflegen. Denn Arbeit besteht aus unzähligen Gesprächen, wie schon der kanadische Management-Vordenker Henry Mintzberg sagt. Klatsch und Tratsch beispielsweise produziert für Führungskräfte wertvolles Kontextwissen. Die Führungskraft als „Minimalist bleibt in der Rolle des Beobachters von Sprachspielen, erahnt dort frühzeitig sich abzeichnende Spannungsfelder und ihre Möglichkeiten (…) das Momentum zu erkennen und durch sachte Einflussnahme Bedingungen im Handlungsfeld entstehen zu lassen, die den Fluss im Sinne der Zielsetzungen lenken.“ Die Führungskraft lässt also arbeiten. Und gibt an den richtigen Stellen zur rechten Zeit entscheidende Impulse. Das erinnert sehr an eine systemische Haltung.
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Zwischen Tür und Angel
Führung geschieht so zwischen Tür und Angel: Niedrigschwellig, beiläufig, ohne Machtgeste, aber hoch effektiv, man denke nur an die bekannte Attitüde des TV-Kommissars Columbo, der sich beim Gehen noch einmal umdreht und die Schlüsselfrage stellt. Führung geschieht über Fragen, Framing, Fiktionen und Einbettung bzw. Verpackung von Botschaften in Geschichten oder Witze. Überhaupt wird mit Bildern und Metaphern operiert, aber nicht geschwafelt, sondern auf den Punkt formuliert (Minimax-Prinzip). Dabei wird Spannung spürbar, denn die Führungskraft skizziert Aspekte auch nur, gibt Anstöße, die sich im besten Fall in den Köpfen der Mitarbeiter zum Bild weiterentwickeln. Sie pendelt sensibel zwischen Nähe und Distanz, kann Schweigen aushalten und stubst an, vom Problem- in den Lösungsmodus zu wechseln.
Die Führungskraft als Grenzgänger. Eine schöne Metapher, in der auch die Ver-führung (so schon früh: Fritz Simon) als Schwester aufblitzt. Womit dann eindrücklich der Unterschied zum harten und massiven „command and control“ deutlich wird. Ich habe lange schon nicht mehr einen so weisen Beitrag zum Thema Führung gelesen. Er hebt sich erfrischend gegen den aufkeimenden digitalen Neotaylorismus auf der einen und das aktivistische Durchhuddeln im agilen Kontext ab.