INSPIRATION: Was unterscheidet „Lessons Learned“ von einer agilen Retrospektive? Spannende Frage, denn etliche agile Konzepte, die einem heute angeboten werden, erweisen sich bei näherer Betrachtung als „Alter Wein in neuen Schläuchen“. In diesem Fall (Auf Veränderung reagieren) lässt sich aber tatsächlich ein Unterschied ausmachen. Mit „Lessons Learned“ sollen im guten alten Projektmanagement Projekte reflektiert werden, um aus den Erfahrungen zu lernen. Leider wird das oft geschlabbert. Die Mühe erscheint oft überflüssig, denn das Projekt ist doch abgeschlossen, man ist mit dem Kopf schon woanders – Klappe zu …
Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass der Einzelne seine Erfahrungen reflektiert und dass man die Learnings in ein neues Projekt mitnimmt. Doch da die anderen schon verschwunden sind, bleibt man mit den eigenen Gedanken allein, und die Reflexion verläuft vermutlich eher oberflächlich. Für das abgeschlossene Projekt kommt so allerdings jede Hilfe zu spät.
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Im agilen Arbeiten verfolgt man einen komplett anderen Ansatz, der, ich kann mir die Bemerkung nun doch nicht verkneifen, sehr an den guten alten Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) erinnert. Da das Arbeiten iterativ in Sprints erfolgt, wird jeder Sprint systematisch mit einer Retrospektive beendet. Das Motto lautet: Inspect und adapt. Auch da darf man sich an den guten alten PDCA-Zyklus erinnert fühlen: plan, do, check, act. Die Zusammenarbeit und die Prozesse werden folglich in kurzen Abständen reflektiert, man wechselt für anderthalb Stunden auf die Metaebene. Und zwar nach einem klaren Plan:
- Warm-up
- Daten erheben: Was war? (Vergangenheit)
- Erkenntnisse entwickeln: Wie sind die Situationen entstanden? Was bedeutet das? (Hier und Jetzt)
- Maßnahmenplanung: Wie gehen wir weiter vor? Wie können wir etwas verbessern? Wer übernimmt für welche Maßnahmen Verantwortung? Zukunft)
- Abschluss
Der Autor spielt das an einem Fallbeispiel durch und lenkt dann den Blick auf einen spannenden Aspekt: Die Gruppendynamik. Denn das Reflektieren in einer Gruppe bringt mehr als im Einzelfall. Allerdings lauern hier auch ein paar Stolpersteine. So sind beispielsweise Teams oft gut darin, eigene Probleme auf Externe abzuschieben. Es wäre also gar nicht schlecht, wenn die Beteiligten sich mit gruppendynamischen Effekten auskennen würden. Leider sind gruppendynamische Trainings aus der Mode gekommen. Was wirklich bedauerlich ist. Dass der Autor hier in einiger Breite darauf eingeht, muss man explizit loben.
Dabei sind die Erfahrungen auch noch aus einem anderen Grund hilfreich und wichtig. Denn agiles Arbeiten lebt von einem spezifischen Rollenarrangement: Es gibt den Product Owner, den Scrum Master und das Team. Rollenkompetenz zu erwerben, ist ein zentrales Element gruppendynamischer Selbsterfahrung. Wenn es also im agilen Arbeiten mal wieder nicht rund läuft, wenn auch die Retrospektiven nicht wirklich Verbesserungen bringen, dann könnte es genau daran liegen, dass den Verantwortlichen die gruppendynamische Kompetenz fehlt. Wie gut, wenn man dann auf kompetente Berater zugreifen kann.
„Mit der Fahne der Agilität zu wedeln ist nicht ausreichend, es braucht bewusste Steuerung der Reflexion und eine konstruktive Veränderungskultur.“ Wie wahr!