10. März 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Kollektive Achtsamkeit

PRAXIS: Immer mehr Unternehmen entsenden Mitarbeiter zu Achtsamkeitstrainings oder bieten sie gleich Inhouse an. Aber was hilft es, wenn Mitarbeiter geschult werden, sie aber die wahrgenommen Signale nicht „melden“ dürfen? Zwei interessante Methoden, um dem zu begegnen, stellt Annette Gebauer in der wirtschaft + weiterbildung vor (Von der individuellen zur kollektiven Achtsamkeit) und vermutlich auch in dem dazugehörigen Buch (Kollektive Achtsamkeit organisieren).

Achtsamkeitstrainings sollen die persönliche Widerstandsfähigkeit verbessern, Mitarbeiter gegenüber den hohen Anforderungen der sich ständig verändernden Umwelt robuster machen, indem sie z.B. auf Warnsignale bei sich selbst achten. Was aber, wenn sie diese Warnsignale verspüren und dieses Unbehagen nicht äußern können? Weil die Kultur Bedenken und Kritik nicht verträgt?

Bedenkenträger werden nicht gern gesehen, und Störgefühle haben oft keinen Platz in den heutigen „Hochleistungsorganisationen“. Wohin das führen kann, beschreiben Weick und Sutcliffe in der 3. Auflage ihres Klassikers „Das Unerwartete managen„. Dort geht es um das Beispiel der Washington Mutual Bank, die in den Ruin schlidderte, nachdem die Immobilienblase in den USA platzte. EIn interner Risikospezialist hatte frühzeitig vor der Katastrophe gewarnt und wurde als Folge von den Vorstandssitzungen ausgeschlossen.

Mitarbeiter in Sachen Achtsamkeit schulen und sie dann, wenn sie Störgefühle melden, kaltzustellen, ist sicher nicht sonderlich hilfreich. Aber wie oft werden denn immer noch Bedenken beiseite gewischt oder erst gar nicht geäußert, weil die Konsequenzen z.B. für die eigene Karriere gravierend sein können?

STICC

Bei Feuerwehren gibt es das Kommunikationsprotokoll STICC. In Organisationen, die mit besonders hohen Risiken und vielen unbekannten Situationen zu tun haben, ist es noch viel wichtiger, auf Warnungen rechtzeitig zu reagieren. Die fünf Schritte von STICC lauten:

  1. Situation: So nehme ich die Situation wahr:…
  2. Task: Das müssen wir aus meiner Sicht tun:…
  3. Intention: Ich denke das aus folgendem Grund:…
  4. Concern: Auf Folgendes müssen wir aus meiner Sicht achten:…
  5. Calibrate: Sagt mir, was Ihr denkt – Was habe ich übersehen? Welche Zweifel habt Ihr?

Man muss sich nur vorstellen, wie die Feuerwehrleute vor einer undurchschaubaren Situation stehen und entscheiden müssen – da hilft diese Routine sicher sehr. Hier ist der einzelne klar gefordert, genau seine Bedenken und Risikoeinschätzungen zu äußern. Und anschließend alle anderen aufgerufen, ihre Sicht beizutragen. Auffällig: Hier wird klar gefordert, immer die EIGENE Sicht zu beschreiben, womit klar wird, dass es eben EINE mögliche Betrachtung ist. Es geht nicht um richtig oder falsch, um Recht haben oder im Unrecht sein.

Wäre das nicht eine Abfolge, die in jedem Unternehmen angesichts unsicherer Lagen eingehalten werden müsste? Hätte der Bedenkenträger der Bank dann nicht Gehör gefunden? Oder die Mitarbeiter bei VW?

Musteranalyse

Die zweite Methode nennt sich Musteranalyse und erfolgt angesichts eines unerwarteten Ereignisses. Dieses wird genutzt, um eingespielte Verhaltensmuster in Frage zu stellen. Hierzu werden die an dem Ereignis Beteiligten „wertschätzend zu ihrem Erleben oder Wahrnehmungen … befragt„, und zwar als „Experten des operativen Geschehens„. 

Also: Wenn ein Ereignis auftritt, bei dem man sich fragt, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dann bildet man kleine fachübergreifende Teams. Diese befragen die Beteiligten nach ihren Sichtweisen, dabei wird strikt zwischen Beschreiben, Erklären und Bewerten getrennt. Anschließend bildet jedes Expertenteams Hypothesen über das Geschehen mit Hilfe folgender Fragen:

  • Was haben die Beteiligten wahrgenommen und gefühlt? Wie haben sie ihre Eindrücke in die Kommunikation eingebracht?
  • Wie wurden ihre Impulse im Team aufgenommen und verarbeitet?
  • Welche Annahmen waren im Spiel?
  • Wie kam die gemeinsame Entscheidung zustande?

Der Vorteil: Zum einen schult das die Achtsamkeit jedes einzelnen für zukünftige Entscheidungen und ermutigt ihn, seine Eindrücke und Einschätzungen zur Sprache zu bringen. Zum anderen sind solche Musteranalysen ein Signal an die Organisation, dass man aus Fehlern lernen möchte und nicht nach Schuldigen sucht.

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