27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Lautes Denken fördern

PRAXIS: Die Idee ist simpel: Man installiert eine Gruppe von Mitarbeitern, die regelmäßig laut nachdenken über das, was sie in einem Change-Prozess ihres Unternehmens erleben. Die Mitarbeiter haben ansonsten keine operative Funktion in der Change-Architektur, sie gehören also nicht dem Steuerkomitee an oder haben andere politische Funktionen (z.B. Betriebsrat).

Über die Zusammensetzung der Gruppe kann man unterschiedliche Vorstellungen haben: repräsentativ vs. zufällig, fester Delegierter vs. temporäres Mitglied. Wie auch immer: Sie werden ermächtig und legitimiert, öffentlich über ihre Wahrnehmungen, Interpretationen, Hoffnungen und Befürchtungen nachzudenken und zu reflektieren. Und sie werden in keinem Fall von oben sanktioniert, wenn sie Unerwünschtes von sich geben. Früher hat eine solche Funktion, dem Flurfunk eine Stimme zu geben, vielleicht der Hofnarr innegehabt, heute ernennen sich schon einmal einzelne Mutige zum Corporate Influencer. Doch im Unterschied dazu haben wir es beim Sounding Board mit einem Team zu tun und mit einem Dialog.


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Das ist definitiv ein Mehrwert. Denn systemisch denkende Berater werden sogleich an das altbekannte und bewährte Reflecting Team denken. Sein Erfinder, Tom Andersen, hatte den genialen Einfall, dass sich Berater über den Beratungsprozess vor den offenen Ohren und Augen der Klienten/Kunden wertschätzend austauschen, Hypothesen spinnen und so weiter, ohne dass das Klientensystem antworten darf: Keine Diskussionen, keine Rechtfertigungen – einfach nur zuhören. Wenn auch der Mund geschlossen bleiben muss, das Gehirn arbeitet doch weiter, verarbeitet die Informationen. Manchmal werden die Klienten nachdenklich, manchmal huscht ein Grinsen über ihr Gesicht, manchmal scharren sie mit den Hufen: Die verordnete Kunstpause entschleunigt das Denken und wirkt nachhaltig.

Die verordnete Kunstpause

Die Arbeit mit dem Reflecting Team selbst ist nicht nur weit verbreitet, sondern seine Logik – Rollenkonzept, Dramaturgie etc. – hat als Architekturbaustein etliche Kommunikationsarrangements beeinflusst. Gruppen-Coachingansätze wie die Kollegiale Coaching Konferenz beispielsweise, aber eben auch das Change-Management – hier aber zumeist unter dem Namen: Sounding Board.

In einem ausführlichen Beitrag haben vor einigen Jahren schon Doris Wieser und Oliver Kohnke (Resonanzteams — ein Feedback- und Beteiligungstool) Einsatzmöglichkeiten und Gestaltungsoptionen dargestellt. Die Abgrenzung des Sounding Boards von anderen Gruppenformaten erachte ich als etwas spitzfindig.

Hilfreich sind allerdings Hinweise auf Fallstricke bei der Umsetzung. So betonen die Autoren, dass es wichtig ist, eine Win-win-Situation zu schaffen. Dazu ist es nötig, dass man sich mit Erwartungserwartungen (zirkuläre Frage: Was denken Sie, denkt die Geschäftsführung über ihren Job in diesem Team?) beschäftigt. Vergräbt sich das Team zu sehr in fachliche Details, gerät es schnell in Konkurrenz mit den Change-Protagonisten. Bleibt ihr Echo zu sehr im Atmosphärischen, fragen sich die Mitarbeiter, was der Mehrwert an dieser „Kaffeerunde“ sein soll. Damit wird deutlich: Das Team spielt in einer politischen Arena. Es genießt Freiheiten, hat aber auch eine große Verantwortung. Sehr relevant sind daher auch Fragen der Moderation eines solchen Teams und der Spielregeln der Mitarbeit.

Spieler in einer politischen Arena

Corina Mileks Beitrag (Von der Vielfalt der Organisation profitieren) ist im Vergleich dazu knapper und pointierter: „Wesentliches Merkmal dieses Gremiums ist, dass es keine Entscheidungsbefugnisse hat, sondern eben „nur“ als Resonanzgeber dient.“ Sie denkt das Sounding Board als Ressource der betrieblichen Vielfalt und vom Ende her: „Was würde man erleben, wenn das Soundingboard seinen Zweck erfüllt hat? Was wäre dann anders als in bisherigen Change-Prozessen oder Projekten? Was würden Beteiligte loben? Worauf wären sie stolz?“ Neben systemischem und lösungsfokussiertem Denken spürt man in diesem Beitrag auch einen agilen Spirit. Zudem wird dezidiert auf die Rolle der Emotionen in der Arbeit verwiesen. Ein Aspekt, der immer noch zu wenig professionell berücksichtigt wird.

Der Klassiker Sounding Board ist erfolgreich. Und es zeigt sich, dass man ihn auch kreativ weiterentwickeln kann.

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