11. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Lösungsorientiertes Feedback

INSPIRATION: Feedback sei das „Breakfast for Champions„, davon ist der Personalentwickler seit Jahrzehnten überzeugt. Wir glauben, dass Feedback das beste Mittel ist, die Leistung zu verbessern und sich weiter zu entwickeln. Und dass Feedback immer nützlich ist. Aber das, was Führungskräfte ihren Mitarbeitern über ihr Verhalten und ihre Leistung erzählen, funktioniert nicht. Weil die Idee auf drei Irrtümern beruht (Die Feedback-Falle):

  1. Wir glauben, dass andere unsere Schwächen eher erkennen als wir selbst. Man kennt das berühmte Johari-Fenster, das allen Seminarteilnehmern vorgestellt wird. Die Autoren im Harvard Business Manager nennen das die „Theorie über die Quelle der Wahrheit„. Aber auf die Aussagen von Menschen ist kein Verlass, sie unterliegen systematischen Fehlern. Feedback ist also immer subjektiv, und der Feedback-Nehmer „muss sich durch diesen Dschungel aus Verzerrungen kämpfen, um etwas zu finden, in dem er sich wiedererkennt.“ Keine wirklich neue Erkenntnis, aber trotzdem setzen Unternehmen nach wie vor auf Feedback-Systeme. Jetzt noch mehr denn je, sie werden vereinfacht, indem jeder jeden Kollegen per App bewerten kann.
  2. Der zweite Irrtum: Wir glauben, dass Lernen funktioniert wie das Befüllen eines Gefäßes: Uns fehlen bestimmte Fähigkeiten bzw. sie sind unvollständig ausgeprägt, und Feedback hilft, diese Lücken zu füllen. Aber Lernen funktioniert so nicht. Wir entwickeln uns nicht weiter, weil wir etwas nicht Vorhandenes erwerben, sondern weil wir Vorhandenes weiter ausbauen. Weil unser „Gehirn dort am meisten wächst, wo es bereits am stärksten ist.“
    Wenn wir Feedback empfangen, so zeigen Untersuchungen im Kernspintomografen, reagiert auf kritisches Feedback vor allem der Sympathicus, der für Kampf oder Flucht zuständig ist. Wir wehren uns also oder ziehen uns zurück. Auf positives Feedback reagiert der Parasympathicus, der für Ruhe und Verarbeitung sorgt.
  3. Schließlich glauben wir, dass außergewöhnliche Leistung universell sei. Die Autoren nennen das die „Theorie der Exzellenz„. Also werden alle Mitarbeiter mit dem gleichen Tool bewertet, den gleichen Kriterien, weil man glaubt, sie müssten nur die Topwerte erreichen, dann bringen sie auch Top-Leistungen.
    Aber es gibt keine allgemein gültigen Kriterien für Exzellenz. So wie Komiker auf ganz verschiedene Weise lustig sind, Sportler mit sehr unterschiedlichen Anlagen und Techniken ganz nach oben kommen, so gilt auch für jeden Mitarbeiter, dass er auf seine eigene Weise Bestleistungen bringt. Ein Vergleich mit anderen hilft ihm wenig.

Der leidige Blick auf die Schwächen

Mal abgesehen davon, dass all diese Dinge lange nicht so sensationell neu sind, wie das in typischen US-Artikeln dargestellt wird: Immerhin tauchen solche Erkenntnisse inzwischen immer häufiger auf. Was mich wundert ist die Tatsache, dass hier Feedback und Beurteilung immer noch in einen Topf geworfen wird. Und dass hier tatsächlich behauptet wird, wir würden Feedback geben mit dem einzigen Ziel, anderen zu helfen, besser zu werden. Das mag vielleicht für Eltern gelten, die ihre Kinder „besser machen“ wollen. Aber im Arbeitsleben führen wir doch solche Systeme deshalb ein, weil die Dinge nicht so laufen, wie wir das gerne hätten. Und Beurteilungssysteme sollen helfen, dass alles reibungslos läuft. So wie Kontollsysteme an Maschinen regelmäßig messen, ob die Werte stimmen und dann Maßnahmen einleiten, wenn etwas aus dem Ruder läuft.


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Was wirklich funktioniert

Aber was folgt daraus? Sollen wir nun darauf verzichten, anderen eine Rückmeldung zu geben? Natürlich nicht. Es gibt nämlich eine Wahrnehmung, die nicht verfälscht ist, und das ist die Beschreibung unserer eigenen Gefühle. Darauf haben nur wir selbst Zugriff, was wir empfinden, kann nicht „falsch“ wahrgenommen werden. Ich kann also jemand anderem mitteilen, welche Gefühle sein Verhalten bei mir auslösen. Also ob ich mich ärgere, langweile, aufrege, freue, begeistert bin, verunsichert oder was auch immer. Alles andere als einfach, oder? Statt zu sagen, „Dir fehlt das strategische Denken,“ zu äußern, „Ich habe Mühe, deinen Plan zu verstehen.“ Die berühmten Ich-Botschaften, wenn man das Modell denn richtig versteht.

Aber nicht nur das: Statt auf die fehlenden Fähigkeiten zu reagieren, sollte ich auf das schauen, was der andere gut macht – damit er eben nicht die Flucht ergreift. Auch keine wirklich neue Empfehlung: Man sollte den anderen bei Dingen „erwischen“, die funktionieren, die wir „zumindest ein wenig außergewöhnlich finden.“ Das ist schon eine Herausforderung, oder? Statt auf das zu reagieren, was nicht klappt, das aufzuspüren, was gelingt? Da werden wir uns gewaltig anstrengen müssen. Der Vorteil dabei ist, dass wir mit positiven Äußerungen zum „Funktionierenden“ den anderen in den Zustand des „Ruhens und Verarbeitens“ versetzen.

Praktisch könnte das so aussehen, dass wir Gelegenheiten für so verstandenes Feedback schaffen. Wenn etwas also nicht vorangeht, stockt, in die falsche Richtung läuft, mit Fragen arbeiten wie „Was läuft denn gerade gut?“ oder „Was hat denn bei ähnlichen Problemen in der Vergangenheit geholfen?“ oder „Welche Maßnahmen könnten jetzt weiterhelfen?“ Lösungsorientierte Coachs werden an der Stelle verständnisvoll nicken.

Zur Umsetzung

Bleibt die Frage, wie all das in Organisationen umgesetzt werden soll. Man müsste zuerst mal alle Beurteilungssysteme abschaffen, das wäre noch einfach. Aber wie ändert man das Denken, das in der Kindheit vermittelt wird und sich über die Schule bis zur Ausbildung und Studium zieht? Wo wir ständig angehalten werden, unsere Schwächen auszumerzen, Idealbildern nachzueifern, Erwartungen anderer gerecht zu werden? Und sollen wir tatsächlich alle zu lösungsorientierten Coachs unserer Mitmenschen werden, die ihnen helfen, ihre individuelle Exzellenz zu erlangen?

Mir würde es schon reichen, wenn wir anfangen, über uns zu sprechen und bei Beurteilungen anderer viel vorsichtiger werden. Der Ansatz, sich stärker auf das zu fokussieren, was klappt, statt auf das, was nicht funktioniert, wäre schon eine zusätzliche Herausforderung. Man müsste mal herausfinden, warum uns das so besonders schwer fällt.

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