7. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Maßlose Verheißung

KRITIK: Erneut hat sich die Wirtschaftswoche mit dem Trendthema „Coaching“ auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Branche offenbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist. Die Versprechungen der Erfolgsprediger sind immens, ihre Jünger zahlreich, und dank digitaler Coachingplattformen kann sich bald jeder regelmäßiges Coaching leisten (Du kannst es besser!).

Es gibt angeblich über 10.000 Business Coachs in Deutschland, laut einer Umfrage unter Firmen setzen dreiviertel von ihnen Coaching standardmäßig als Personalentwicklungsinstrument ein. Dabei versammeln sich unter dem Begriff alle möglichen schillernden „Player“: Entertainer, die mit Großveranstaltungen ihre Jünger anlocken, Plattformen, die den Unternehmen den Zugang zu hunderten von Coachs vermitteln, so dass diese gar keinen eigenen Coach-Pool mehr pflegen müssen. Die Allianz verkündet in dem Beitrag, selbigen schon bald aufzulösen.


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Gleich mehrere Fragen werden hier aufgeworfen: Werden die großartigen Verheißungen erfüllt? Verhilft Coaching den Gecoachten tatsächlich zum Erfolg? Die Antwort lautet ja, wobei sich die Experten weniger auf Einzelfälle berufen, sondern auf seriöse Studien, bei denen mit echten Kontrollgruppen gearbeitet wurde. Danach beurteilten Mitarbeiter die gecoachten Führungskräfte besser in Punkto Arbeitsklima, Zielsetzung und Krisenmanagement. Was natürlich nicht bedeutet, das jedes Coaching funktioniert.

Die zweite Frage ist altbekannt: Können Führungskräfte ihre Mitarbeiter coachen? Natürlich nicht: Coaching muss für beide Seiten frewillig sein, die Inhalte vertraulich und es sollte keine andere Beziehung zwischen Coach und Coachee existieren, schon gar keine Führungsbeziehung.

Die dritte Frage schwingt in dem Beitrag mit: Können Coachs vom Coaching leben? Das klingt erst einmal nicht so, denn dank der Plattformen, die ja kräftig mitkassieren, sinken die Preise. Aber es wäre ja ein Szenario denkbar, auf das ich bisher noch gar nicht gekommen bin: Wenn Coaching so normal ist wie Training bei einem Trainer im Sport, dann lassen sich Führungskräfte in Zukunft alle ein bis zwei Wochen betreuen, der Coach steht wie ein Tennistrainer acht Stunden am Tag „auf dem Platz“, da darf dann der Stundenlohn schon deutlich sinken. Steht so nicht in dem Beitrag, wohl aber als Vision einer Plattform-Vertreterin, die davon träumt, dass sich Führungskräfte alle zwei Wochen coachen lassen.

Und was ist mit der Idee, Führungskräfte zu Coachs umzufunktionieren? In einer Organisation, in der es nur noch sich selbstorganisierende Teams gibt, könnten doch interne Coachs, also ehemalige Führungskräfte, das Coaching übernehmen, dann braucht ist das Thema „Führungskraft als Coach“ erledigt. Dann braucht allerdings auch niemand einen digital vermittelten Coach.

Ich bringe noch einen ketzerischen Gedanken ein: So wie jeder, der erfolgreich sein will, einen Coach zur Persönlichkeitsentwicklung benötigt, so braucht er natürlich auch einen Trainer für die Physis, einen Ernährungsberater und einen Anlageberater. Dazu noch einen zur Unterstützung der Erziehung der Kinder, einen für das Hundetraining und schließlich jemanden zur Beratung in Partnerangelegenheiten. Wobei das der Business Coach vielleicht noch mit abdecken könnte. Ungefähr so wie im Spitzensport, wo die Top-Athleten ganze Teams von Betreuern, Trainern, Physiotherapeuten und Köchen mit auf Reisen nehmen.

Das Gegenmodell sieht vielleicht so aus: Menschen, die in gesunden Gemeinschaften für ein gemeinsames Ziel arbeiten, unterstützen sich gegenseitig, sie sind im Normalfall in der Lage, ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen und bei individuellen Nöten sich gegenseitig zu unterstützen. Und wenn sie feststellen, dass sie hierbei an Grenzen stoßen, ziehen sie einen (Team)Coach zurate, der sie bei der Reflektion unterstützt. Und der im Idealfall aus der eigenen Organisation stammt. Ist mir deutlich sympathischer als die Vorstellung, dass sich jeder alle zwei Wochen von einer Heerschar von Coachs beraten lässt.

Noch etwas, das mir auffällt. Hier kommt ein ehemaliger Bankmanager zu Wort, der seinen Job gehasst hat und jetzt eine erfolgreiche Coaching-Akademie betreibt. Also jetzt Manager dabei berät, in ihrem Job besser klar zu kommen und erfolgreicher zu sein. Ist es nicht auffällig, wie viele ehemalige Manager ihr Glück als Coach versuchen? Wären sie wohl selbst Manager geblieben, hätten sie rechtzeitig einen Coach zu Rate gezogen? Oder werden all die von ihnen betreuten Manager irgendwann selbst zum Coach?

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