15. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Operneffekt

INSPIRATION: Träumen Sie auch hin und wieder von einer Auszeit? Mehrere Wochen um die Welt reisen, sich einen Traum erfüllen? Umfragen zeigen, dass zwischen zwei Drittel und einem Viertel der Berufstätigen diesen Wunsch hegen. In vielen Unternehmen hingegen sehen die Verantwortlichen das Ansinnen kritisch, dabei hätte auch der Arbeitgeber eine Reihe von Vorteilen.

Vor allem: Wer viel von seinen Mitarbeitern erwartet, sollte sich das Bild eines Ackers vor Augen rufen, der hin und wieder eine Weile brach liegen muss, um sich zu erholen (Produktive Pause). Ein Jahresurlaub reicht dann nicht unbedingt, um die Akkus wieder aufzuladen. Mitarbeiter, die ein Sabbatical genommen haben, fühlen sich danach „zufriedener und weniger gestresst.“ Dies gilt vor allem „für diejenigen, die Dauer und Art der Auszeit selbst bestimmen konnten“, wie eine Studie der Universität Tel Aviv ergab.

Und die Mitarbeiter sind nicht nur leistungsfähiger, sondern identifizieren sich mehr mit ihrem Arbeitgeber und planen seltener einen Jobwechsel. Wer seinen Mitarbeitern Sabbaticals vermöglicht, ist auch für Bewerber als Arbeitgeber attraktiver.

Eigentlich eine gute Idee

Was hält also Unternehmen davon ab, die „Geheimwaffe des geschickten Personalmarketings“ häufiger einzusetzen (Attraktives Karrierekonzept)? Vielleicht die Angst, Mitarbeiter zu verlieren, weil sie den Reiz des „süßen Nichtstuns“ genossen haben? Oder dass sich das herumspricht und plötztlich jeder davon Gebrauch machen möchte; und dann die Arbeit liegen bleibt? Zumindest in kleineren Unternehmen könnte das in der Tat ein Engpass werden.

Ein Problem ist sicher das „Flexibilitäts-Stigma“. Damit gemeint ist, dass wer immer nach so etwas wie flexiblen Arbeitzeiten, Homeoffice oder gar einem Sabbatical fragt, als weniger engagiert und motiviert betrachtet wird. Er muss nach wie vor fürchten, dass er bei Beförderungen und Gehaltsentwicklung Nachteile erleidet. Das gilt vor allem für Frauen mit Kindern. Soll heißen: Man erwirbt sich schnell den Ruf, dass Familie und Urlaub wichtiger seien als der Job und die Karriere.

Da haben wir es mit einem Dilemma zu tun: Was mache ich, wenn ich weiß, dass ich nach einer solchen Auszeit ausgeruht und neu motiviert mehr leisten kann, aber mir das genaue Gegenteil unterstellt wird? Vielleicht einen Arbeitgeber wie die Berliner Volksbank suchen? Dort können Mitarbeiter ihr 13. Gehalt in zusätzliche Urlaubstage umwandeln. Sie können zudem ein bis zu sechsmonatiges Sabbatical nehmen, dabei werden „30% der Vergütung ohne Rückzahlungsverpflichtung weitergezahlt“ (Keine Einbahnstraße).

Aber ein Dilemma

Interessant ist eine Äußerung des Personalers der Bank. Er sieht auch mögliche Probleme bei denjenigen, die die Arbeit der Sabbatical-Nehmer übernehmen müssen, aber glaubt nicht, dass es in der Praxis häufiger eintritt. Der Grund sei der „Operneffekt“: Viele Menschen möchten gerne in der Großstadt leben, weil dort das kulturelle Angebot viel besser ist. Aber wenn sie dann dort wohnen, nutzen sie es gar nicht so oft. Soll heißen: Das Angebot eines Sabbaticals genügt, um als Arbeitgeber interessant zu sein, nutzen werden es nur wenige. Und sehr pragmatisch: Sollten es dann doch mehr Leute als erwartet einfordern, müssen die damit verbundenen Herausforderungen vor Ort in den Teams in Selbstorganisation gelöst werden. Schade, dass er offenbar noch nichts über Erfahrungen mit dem Angebot zu berichten hat.

Falls Ihr Arbeitgeber kein solches Angebot im Programm der Personalmaßnahmen hat, muss das noch nicht heißen, dass eine Frage sich nicht lohnt. Man sollte dabei den Stier an den Hörnern packen und mit der Frage nach einem Sabbatical auch gleich das (vermutete) Problem ansprechen. Nämlich dass man sich schon vorstellen kann, wie so ein Ansinnen wirken könnte. Dass man seine Arbeit nicht mehr schafft, man lieber Zeit mit der Familie als mit den Kollegen verbringen will, schöne Reisen dem Berufsalltag vorzieht usw. Damit könnte man eine Diskussion anstoßen, die vielleicht dazu führt, dass das Thema im eigenen Haus an Fahrt gewinnt. Ausprobieren – am Ende ahnt vermutlich auch Ihr Chef, dass es besser ist, eine Weile auf Sie zu verzichten als dass sie ganz gehen …

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