27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Risiken der Transparenz

KRITIK: Das Thema haben wir hier nicht zum ersten Mal. In der Tat scheiden sich die Geister, wenn es um die Frage geht, wie viel Transparenz einer Organisation gut tut. Wer glaubt, man müsse doch nur alle Informationen offen legen, dann würde es keine „Macht durch Wissen“ mehr geben, keine Korruption und keine Ungerechtigkeit, der könnte irren. Zumindest warnen die Autoren in der Zeitschrift Führung + Organisation vor den Nebenwirkungen (Zwischen Medizin und Gift).

Die allgemeine Begründung für mehr Transparenz lautet ungefähr so: Würde jeder Mitarbeiter eines Unternehmens auf jede Kennzahl, Entscheidung und Absprache zugreifen können, oder noch besser: Würde jede Vorstandssitzung öffentlich zugänglich sein, gäbe es deutlich weniger Grund für Spekulationen und Misstrauen, und manche Entscheidung wäre nachvollziehbarer und leichter zu verstehen. Vor allem aber: Wenn jeder Mitarbeiter weiß, welche Auswirkungen seine Tätigkeit hat, welche Kosten er verursacht, welche Ressourcen er verbraucht, kann er viel eigenverantwortlicher handeln. Transparenz wäre also die Grundlage für mehr Partizipation und Selbstverantwortung.


Anzeige:

VOLLMAR Wissen+Kommunikation unterstützt Sie durch Beratung, Training, Coaching dabei, Ihr Wissen zu organisieren, weiter zu entwickeln, zu sichern und Gewinn bringend einzusetzen. Unsere Arbeitsweise lässt sich am besten mit ‚pragmatisch’ umschreiben; wirkungsvolle Maßnahmen sind uns wichtiger als akademische Modelle. Zur Webseite...


Die Nachteile

  • Transparenz muss organisiert werden. Jemand muss die Zahlen aufbereiten, die Informationen zusammen- und bereitstellen. Dadurch entstehen ganze Abteilungen, die erhebliche Kosten erzeugen. Und egal wie groß diese Abteilungen auch sind, am Ende bleibt Transparenz selektiv. Und diese Abteilungen werden zu neuen Machtzentren in den Unternehmen.
    Mag sein, aber ist es nicht jetzt schon so, dass sich große Unternehmen interne Kommunikationsabteilungen leisten, die Daten sortieren und gezielt weitergeben – mit riesigem Abstimmungsaufwand? Wenn alles veröffentlicht werden dürfte, könnte dieser Unsinn doch entfallen …
  • Transparenz führt zu einer „Schuldumkehrung“. Wenn alle Informationen zur Vergügung stehen, dann muss sich niemand mehr Gedanken machen, wie er die Betroffenen informiert. Er kann ja davon ausgehen, dass sich alle informiert haben und wenn etwas schiefgeht, kann er darauf verweisen, dass der Betreffende sich hätte informieren können. Mehr noch: Das würde zu einer Diffusion der Verantwortung führen. Jeder würde glauben, dass sich jemand anderes darum kümmert, wenn etwas misslingt, weil ja alles transparent ist.
    Ein seltsames Argument. Nach wie vor müssten doch Führungskräfte dafür sorgen, dass die zum Arbeiten erforderlichen Informationen beim Mitarbeiter ankommen. Oder dafür, dass diese wissen, wo sie zu finden sind. Das würde erst dann entfallen, wenn man die Aufgaben an Teams ohne Führungskräfte gibt. Dann wären diese in der Tat dafür verantwortlich, die erforderlichen Daten zu erheben. Was ja sonst ihre Führungskaft übernommen hätte.
  • Transparenz kann zu mehr Überwachung führen. Wenn z.B. jede Spesenabrechnung für jeden offen einsehbar ist, dann könnte das dazu führen, dass jeder jeden kontrolliert. Wo bisher Vertrauen herrschte („Es werden wohl andere sich an die Regeln halten oder wir haben ja Abteilungen, die das kontrollieren!“) herrscht nun „Misstrauen als Basisannahme.“ „Die Vergrößerung der Zone von Transparenz verkleinert die Zone, in der Vertrauen erforderlich und möglich ist.“
    Auch wieder ein witziges Argument. Das hat was von „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ Wenn ich nicht wissen will, was mein Kollege abrechnet, dann verzichte ich darauf, es zu kontrollieren. Wenn ich aber misstrauisch bin, warum sollte das schlimmer werden, wenn ich die Daten einsehen kann? Dann mache ich es, stelle fest, dass alles in Ordnung ist und bin zufrieden. Statt weiter zu spekulieren, was da wohl alles faul läuft. Zugriff auf Informationen zu haben heißt ja nicht, dass ich auch zugreife.
  • Menschen haben eine Privatsphäre, bei völliger Transparenz besteht die Gefahr, dass diese verletzt wird. Wenn jede Leistung gemessen und protokolliert wird, gibt es irgendwann überhaupt keine Privatsphäre mehr.
    Das ist nun ganz schräg: Ich verstehe unter Transparenz, dass man die Daten, die erhoben werden, den Betroffenen zugänglich macht. Wenn ich die Privatsphäre nicht verletzen will, dann erhebe ich keine Daten, die diese verletzen könnten. Also warum sollte ein Unternehmen individuelle Leistungsdaten erheben, die aber ganz vertraulich behandeln. Vertraulich für wen?
  • Mitarbeiter könnten demotiviert werden, wenn sie erfahren, was ihre Kollegen verdienen. Menschen würden dazu tendieren, sich „nach oben“ zu vergleichen und deshalb sehr sensibel reagieren, wenn sie Beförderungen oder Bezahlung als unfair empfinden. Macht man also solche Dinge transparent, könnten die negativen Folgen die positiven überwiegen.
    Zwei Dinge zur „Entgelttransparenz“: Das scheint mir ein Kulturphänomen zu sein, an anderen Orten ist es überhaupt kein Problem zu erfahren und zu verkünden, wie viel „Geld man macht“. Und natürlich kann es passieren, dass beim ersten Aufdecken der wahren Gehaltsverteilung so mancher ins Grübeln kommt und sich fragt, mit welchem Recht jemand anderes so viel mehr verdient als man selbst. Da entsteht dann eine Menge Erklärungsbedarf für die Führungsmannschaft. Um dem aus dem Weg zu gehen, wird eben das Gehalt oft immer noch „vertraulich“ behandelt. Hofft man zumindest.

Bring- oder Holschuld

Unschwer zu erkennen, dass ich viel mehr Sympathie für weitestgehende Transparenz habe. Wobei mich der Aspekt der „Bring- und Holschuld“ beschäftigt. Einfach nur alle Informationen in irgendwelcher Form z.B. ins Intranet zu stellen und dann zu argumentieren „Ihr könnt, wenn Ihr wollt, auf alles zugreifen,“ dürfte in vielen Fällen keine gute Idee sein. Daten und Fakten müssen und werden immer aufbereitet, in Diagramme und Grafiken gepackt und so dargestellt, dass der Empfänger mit ihnen etwas anfangen kann. Sie kann man Zusammenhänge sichtbar machen oder sie verschleiern.

Also wäre es die Aufgabe der Verantwortlichen, sich zu überlegen, in welcher Form Informationen daherkommen sollen. Und sie müssen überlegen, wie sie zu den Empfängern gelangen. Man kann Protokolle von Vorstandssitzungen irgendwo ablegen und nur informieren, wo sie zu finden sind. Oder sie per Mail verschicken. Man kann auch nur eine Mail schicken mit einem Link zu dem Ort, wo sie abgelegt sind. Im ersten Fall ist die Hürde, sich zu informieren, am höchsten, im zweiten Fall am niedrigsten. Man kann die aktuellen Umsatzzahlen auf Bildschirmen in der Kantine präsentieren, auf regelmäßigen Meetings oder versteckt auf einer Unterseite im Intranet.

Deshalb stimme ich den Autoren des Beitrags zu, dass es wichtig ist, eine Art „Transparenz-Strategie“ zu entwickeln. Aber weniger, um festzulegen, was die Mitarbeiter wissen dürfen und was nicht. Sondern mehr um festzulegen, wie sie an die Informationen kommen, die sonst vielleicht nur bestimmten Gruppen, etwa Führungskräften, zur Verfügung stehen.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert