PRAXIS: Online-Meetings sind inzwischen so weit verbreitet, dass man sie eigentlich als „normal“ ansehen kann. Mit der Technik sind mittlerweile auch die meisten vertraut. Was allerdings oft übersehen wird, ist, dass diese Treffen das eine oder andere menschliche Bedürfnis ignorieren. Einfache Maßnahmen können Abhilfe schaffen.
Man überlege nur mal, was bei „normalen“ Besprechungen passiert: Die Teilnehmer treffen ein und quatschen informell. Ehe es losgeht, sind schon alle möglichen Informationen ausgetauscht. In diesem Vorgeplänkel bekommen sie auch schon bestimmt Stimmungen mit – ob jemand nicht gut drauf ist, hektisch, abgehetzt oder völlig entspannt. Schwierig im Online-Meeting.
Anzeige:
Lösungsfokussiertes Arbeiten mit Teams! In einem 2tägigen Seminar für Coaches und Berater:innen lernen Sie diesen erfolgreichen Ansatz von Ben Furman erfolgreich in die Praxis umzusetzen und schließen mit dem internationalen Zertifikat Reteaming®-Coach ab! In Deutschland nur hier: Zur Webseite...
Während des Meetings selbst registrieren wir, wie andere auf das reagieren, was man selbst sagt – sei es, dass jemand die Augen verdreht, ratlos dreinschaut, lächelt, zustimmend nickt – ein solches Feedback ist online nur in Ausnahmen sichtbar. Wir spüren auch Unruhe, erkennen Müdigkeit, Langeweile, Genervtheit und können darauf als Moderator mit Pausen reagieren. Bei Online-Veranstaltungen ist all das weitaus weniger gut zu „erspüren“.
Tipps
Hinter all diesen Reaktionen und Verhaltensweisen stecken Bedürfnisse, z.B. die nach Sicherheit, nach Gemeinschaft, nach Anerkennung und Wertschätzung. Werden diese nicht erfüllt, fühlen wir uns nicht wohl. Was also können Moderatoren von Online-Meetings tun, um das Wohlbefinden der Teilnehmer zu gewährleisten? Manche der folgenden Tipps aus der managerSeminare (Menschlich meeten) werden übrigens auch bei manchen Präsenztreffen ignoriert – hier also der dezente Hinweis auf einen Lerntransfer in umgekehrter Richtung).
- Bedürfnis nach Sicherheit: Das ist wohl die wichtigste Aufgabe für den Moderator – für einen sicheren Ort zu sorgen (Safe Space). Das fängt an mit der Gebrauchsanweisung für die genutzten Tools – wer hier schon ängstlich ist, wird sich kaum aktiv beteiligen können, sondern sich tunlichst zurückhalten. Also im Vorfeld vielleicht eine Anleitung verschicken, noch besser ein kleines Video und noch besser: Einen Testlauf mit jenen durchführen, die sich noch nicht so fit fühlen.
- Enorm hilfreich: Agenda-Setting! Die Teilnehmer sollten nicht nur wissen, was auf sie zukommt, sondern auch an der Priorisierung der Themen und damit der Festlegung der Reihenfolge beteiligt werden. Wird leider auch bei vielen Präsenztreffen kaum berücksichtigt. Vorab Fragen versenden bezüglich der Erwartungen bei bestimmten Themen kann ebenfalls helfen, sich sicherer zu fühlen.
- Regeln klären: Wie meldet man sich? Was gehört in den Chat? (Wäre auch gut bei klassischen Meetings: Wie funktioniert das mit Wortbeiträgen?). Noch ein Tipp: Ein paar Minuten am Anfang darauf verwenden um jeden kurz berichten zu lassen, wie es ihm gerade geht, was ihn beschäftigt (Check-in).
- Physische Grundbedürfnisse: Klingt banal? Aber wie hält man es mit Pausen? Mit Essen und Trinken? Jeder wie er will? Zu empfehlen ist, Pausen hierfür einzuplanen und im Vorfeld zu terminieren. Auch hilfreich sind kleine Tipps, z.B. die Teilnehmer zu bitten, die Fenster zu öffnen, sich zu strecken, kurz mal aufzustehen usw.
- Bedürfnis nach Gemeinschaft: Jedes Treffen ist immer auch ein geselliges Ereignis (zugegeben, nicht immer mit dem gleichen Unterhaltungswert). Bei Teilnehmern, die sich gut kennen, muss man hier auch bei Online-Meetings nicht allzu viele Veränderungen vornehmen. Ob man wirklich „Non-Business-Online-Meetings“ anbieten muss, wage ich mal in Frage zu stellen. Die meisten haben vermutlich genug Video-Konferenzen, als dass sie noch Lust auf einen „Happy-Weekend-Drink“ hätten.
Auch Tipps wie der mit der Schnitzeljagd (jeder steht auf und sucht zu einem Gegenstand zu einem bestimmten Begriff und hält ihn anschließend in die Kamera) oder Fotos zeigen (jeder zeigt mal ein Foto von sich) sehe ich eher skeptisch – und wenn, kann man sie nicht allzu oft einfügen.
Hingegen zwischendurch mal eine Stimmungsabfrage einzufügen, halte ich für eine gute Idee. Kann man sich auch mit Emojs kurz halten. - Bedürfnis nach Wertschätzung: Wenn das unmittelbare Feedback auf eigene Beiträge kaum erkennbar ist, kann man es ein Stück formalisieren. Nach einer Präsentation z.B. alle nach ihrem Eindruck fragen (ohne diesen kommentieren zu lassen). Oder auch einzelne Teilnehmer direkt fragen („Sie haben sich doch mit dem Thema auch schon intensiv beschäftigt – was halten Sie von dem Vorschlag?“) Bis hin zu Online-Tools, mit denen man kurz „applaudieren“ kann, Smileys vergibt oder „Daumen hoch“ einblendet.
Ich würde mir wünschen, dass die Erfahrungen mit Online-Meetings dazu führen, dass auch in Präsenzveranstaltungen viel stärker auf die genannten Bedürfnisse von Teilnehmern Rücksicht genommen wird. Wer weiß – vielleicht führen die Erfahrungen hiermit dazu, dass Teilnehmer solche Rücksichtnahme in Zukunft stärker einfordern. Schön wär’s!